Brisantes Erbe

■ Dengs Nachfolger müssen nationalistisch auftreten

„Wenn du die Sache in die Hand nimmst, bin ich beruhigt.“ Mit diesen Worten regelte der „Große Vorsitzende“ Mao Zedong einst seine Nachfolge: Hua Guofeng wurde Parteichef. Das erfuhren die Chinesen nach seinem Tod, und niemand durfte es wagen, an der Legitimität des neuen Führers zu zweifeln. Zwanzig Jahre später ist China ein völlig verändertes Land.

Wieder ist ein mächtiger Politiker gestorben. Aber Deng Xiaoping selbst hatte die Partei und die Öffentlichkeit auf seinen Tod vorbereitet. Seit Jahren konnten die Chinesen sich an die neue Generation der Politiker in Peking gewöhnen. Sie haben sich auch diese Führung nicht gewählt, aber viele Menschen glauben, sie hätten es schlimmer treffen können: Denn in der Amtszeit von Parteichef Jiang Zemin hat es ein rapides wirtschaftliches Wachstum gegeben. Vielen Menschen geht es besser als je zuvor, und sie haben mehr Möglichkeiten als ihre Eltern, über ihr eigenes Leben zu entscheiden.

Mit Deng im Hintergrund hämmerten Jiang und die Partei der Bevölkerung ein, daß Meinungsfreiheit und Demokratie für China gefährlich seien: Das Land würde sonst wie die Sowjetunion oder Jugoslawien auseinanderbrechen. Nur autoritäre Führung habe China zu einer Macht werden lassen, die in der Welt etwas gilt. In den Augen Dengs und seiner Nachfolger steckte hinter den Forderungen des Westens, Peking solle die Menschenrechte als universell gültige Normen respektieren, nichts als eine dunkle Verschwörung mit dem Ziel, China wieder, wie in der Kolonialzeit, zu schwächen und zu demütigen. Der Härte, mit der die Führung Dissidenten im eigenen Land verfolgte, entsprach in den letzten Jahren ein zunehmend selbstbewußtes und aggressives Auftreten der Regierung gegenüber dem Ausland. Nachgiebigkeit hat den Ruch des Unpatriotischen.

Nationalistisches Auftreten wird zunehmend zur Bedingung, in den oberen Rängen der Partei mitzuspielen. Genau darin liegt die Gefahr der politischen Hinterlassenschaft Deng Xiaopings. Ohne seine schützende Hand könnten sich Politiker wie Jiang Zemin gezwungen sehen, sich mit immer schärferen Tönen in der Parteihierarchie abzusichern. Das Manöver im vorigen Jahr vor der Küste Taiwans war bereits ein erstes Zeichen, daß in der chinesischen KP mit Säbelrasseln Einfluß zu gewinnen ist. Jutta Lietsch