Farben helfen gegen Schimmelpilz

■ „Wenn die Wand vor Feuchtigkeit trieft, sind meistens die Mieter schuld“ / Bei allem Debakel: Mineralfarben statt Tapete helfen gegen den Schimmelpilz / Der Hit bleibt dennoch Wärmedämmung

Geheimrezepte gegen feuchte Wände sind wohlfeil – aber oft sinnlos bis gefährlich. „Am schlimmsten wirken Thermo-Tapeten“, sagt Wolfgang Steuber. „Dadurch wird der Taupunkt zwischen Tapete und Wand verlagert.“ Die Folge: Die Luftfeuchtigkeit im bewohnten Raum schlägt sich hinter der Tapete am Putz nieder. Dort bildet sich gesundheitsschädlicher Schimmel.

Ähnliches geschieht in kühlen Zimmerecken auch auf der regulären Rauhfasertapete samt Farbanstrich. Schlimmer noch: Hier, wie auch auf der Badezimmer- oder Küchenwand, die einfach mit kunststoffhaltiger Dispersionsfarbe „getüncht“ wurde, zersetzen sich die chemischen Bestandteile von Farben oder chemischen Grundierungen. Bei ausreichender Zimmertemperatur reichert die Raumluft ungesunde Bestandteile an.

„In 99 Prozent aller Fälle ist der Mieter an diesen Schäden selbst schuld“, sagt Wolfgang Steuber. Täglich besichtigt der Bremer Innungsmeister Schadensfälle, die seiner Meinung nach durch regelmäßiges Lüften vermeidbar gewesen wären – oder durch gleichbleibende Raumtemperaturen. „Denn eigentlich liegt der Taupunkt in der Mitte der Mauer, wo sich Leuchtfeuchtigkeit wegen des Gefälles zwischen Innen- und Außentemperatur kondensiert.“ Diese Regel aber wird durch eisernen Sparwillen bei steigenden Energiepreisen immer häufiger außer Kraft gesetzt. „Am schlimmsten sind dabei Singles oder berufstätige Paare“, hat Steuber beobachtet. „Bevor die morgens zur Arbeit gehen, macht der Letzte die Heizung aus. Dafür wird abends richtig aufgedreht.“ Die Folge: Die Feuchtigkeit der schnell erwärmten Luft schlägt sich auf den ausgekühlten Wänden nieder. WohnungsnutzerInnen, die solche Heizgewohnheiten pflegen und dabei auch noch wenig lüften, züchten sich Pilzkulturen quasi selbst heran. „Da bildet sich besonders unter der hohen Decke von Altbauwohnungen ein echtes Waschküchenklima“, sagt Steuber. Das haben Luftmessungen der Innung ergeben. Wenn die WohnungsnutzerInnen dann noch die Wäschespinne zum Trocknen ins abends molligwarme Wohnzimmer stellen, haben sie jeden möglichen Fehler begangen.

Begünstigt werden die grüngefleckten Fehlentwicklungen auf der gestrichenen Altbauwand zudem durch moderne Techniken. „Moderne Fenster schließen so dicht, daß kein Luftzug für ungewollte Belüftung sorgt“, sagt Steuber. Auch isolieren Doppelglasscheiben besser. Folglich trieft das Kondenswasser, das einst an den einfachverglasten Fensterscheiben herunterrann, jetzt an der kalten, schlecht isolierten Wand herab. Ein Trost: Wer diese physikalischen Abläufe versteht, kann sich gegen die schlimmsten Folgen schlecht isolierter Wände schützen: Mit Mineralfarben, die direkt auf den Putz aufgetragen werden und gestatten, daß Feuchtigkeit von der Wand absorbiert werden kann.

Der Innungsexperte für Werkstofftechnik, Steuber, hält zwar auch Mineralfarben nicht für das Non-plus-ultra. „Das beste Raumklima entsteht nur in Wohnungen, wo Wände effektiv gedämmt sind“, sagt er. Daran ändere ein Farbanstrich sicherlich nichts. Dennoch empfiehlt er schon seit seit gut fünf Jahren wieder (die zwischenzeitlich aus der Mode gekommenen) Mineralfarben. Das gilt sowohl für den Außen- als auch für den Innenanstrich. Und aus hygienischen Gründen besonders für Bad und Küche – wo Feuchtigkeit und Raumtemperaturen besonders schwanken. „Denn die Farben sind emmissions- und lösemittelfrei“. Aber ob besonders „bio“? Darauf will Steuber sich wirklich nicht festlegen lassen. Mineralfarben, zu denen auch Silikat-, Silan- und Kalkfarben gehören, seien natürliche Werkstopffe, „zermahlener, zubereiteter Stein quasi“. Bei dieser Gelegenheit muß Steuber eine Lanze für die Innung brechen: „Die Fortbildungen der Bremer Maler- und Lackiererinnung berücksichtigen verstärkt die Frage, was gut für's gesunde Wohnen ist. Von „bio“ wolle er dabei dennoch nicht reden. „Jeder sorgfältig geführte Malerbetrieb, dessen Chef sich mit dem Wissen auf dem neuesten Stand hält“, könne über diese Farben beraten. Das wichtig, denn der ätzende Werkstoff ist nicht ganz so einfach anzuwenden wie gängige Dispersionsfarben aus dem Baumarkt.

ede