Bremen: Viel Geld für wenig Service

■ In der Deutschen Bibliotheksstatistik schneidet die Stadtbibliothek Bremen schlecht ab

„Buchausgabe“ steht auf dem blau-weißen Schild, das über dem Tresen in der Stadtbibliothek am Schüsselkorb hängt. Die Bücher unter den Arm geklemmt, warten fünf Benutzer – wie sie im Bibliothekarsdeutsch heißen – darauf, daß ihr Lesefutter registriert wird. Aber das braucht Zeit. Während die Ausleihe per EDV in vielen deutschen Stadtbibliotheken schon lange eine Selbstverständlichkeit ist, gehört die Lochkarte in Bremen noch immer zum Handwerkszeug der Bibliothekare. Mitte Mai sollen jetzt in der Ausleihe Computer aufgestellt werden.

Links auf dem Tresen liegt das Gebührenverzeichnis: Zwischen 20 und 35 Mark zahlen Normalverdiener im Jahr für ihren Bibliotheks ausweis – das ist deutlich mehr, als durchschnittlich in anderen bundesdeutschen Bibliotheken kassiert wird.

Und das ist nicht die einzige Rubrik der Statistik des Deutschen Bibliotheksinstitutes Berlin aus dem Jahr 1995, in der Bremen über dem Durchschnitt liegt: Die Bremer leisten sich 32 Zweigstellen. Hamburg hat 60 „Bücherhallen“, München kommt mit 55 Zweigstellen aus. Neun Bibliothekare arbeiten in Bremen im gehobenen Dienst. In Köln sind es elf, in Frankfurt sechs, in Dortmund nur vier. 118 Mitarbeiter hat die Bibliothek in Dortmund. In Bremen sind es 145,5. Trotzdem hat die Stadtbibliothek Dortmund mit 47 Stunden in der Woche neun Stunden länger geöffnet als die Stadtbibliothek Bremen. „Fragen Sie mich nicht nach unserem Geheimrezept“, winkt Petra Grübner, die stellvertretende Bibliotheksleiterin in Dortmund, ab. „Wir haben keins. Der Benutzer steht halt an erster Stelle.“

„Auch bei uns steht der Benutzer an erster Stelle“, betont Barbara Lison-Ziessow. Seit 1992 leitet sie die Stadtbibliothek Bremen. Vorher war sie Stadtbibliothekarin in Oldenburg. „Ich habe die Benutzergebühren 1990 in Oldenburg abgeschafft“, sagt sie. Dennoch sieht sie keine Chance, die Benutzergebühren in Bremen abzuschaffen. „Ich habe jetzt erst wieder die Auflage bekommen, meine Einnahmen zu erhöhen. Deshalb sind die Gebühren von 16 Mark auf 20 Mark gestiegen.“

Daß das Geld an einigen Stellen viel effektiver eingesetzt werden könnte, räumt Lison-Ziessow ein. Allein durch die Maschen des weitverzweigten Bibliotheksnetzes fließen Millionen. „Die Dezentralisierung war in den 70er Jahren stark gewollt – mit betriebswirtschaftlichen Folgen, die man damals noch nicht gesehen hat“, sagt Lison-Ziessow.

12,8 Prozent der Bremer entleihen Bücher und oder andere Medien aus der Bibliothek. Auch damit liegt Bremen über dem Bundesdurchschnitt. Längere Öffnungszeiten würden vermutlich sogar noch mehr Bremer in die Bibliothek locken. Doch dazu habe sie im Moment nicht die Mittel, sagt Barbara Lison-Zissow. Die Stadtbibliothek im Schüsselkorb sei mit seinen fünf Etagen, „personalintensiv“, weil in jedem Stockwerk eine Bibliothekarin oder Assistentin sitzen müßte. Auch in anderer Hinsicht käme das Personal Bremen teuer zu stehen: Knapp 10,5 Millionen Mark sind im Haushalt 1997 für Personalkosten veranschlagt – nur rund 4,3 Millionen Mark für Anschaffungen oder Baumaßnahmen. Ein Grund für die hohen Personalkosten ist die Altersstruktur des Personals: Im Schnitt sind Bremens Bibliothekare 46,8 Jahre alt. Der Nachwuchs fehlt, Neueinstellungen gibt es nicht. „Im Durchschnitt hat jeder Mitarbeiter die höchste Dienstaltersstufe erreicht und verdient entsprechend viel“, so Lison-Ziessow. Der „Öffentliche Dienst in Bremen“ sei ohnehin in vielerlei Hinsicht „etwas besonderes“, sagt sie – mit Blick auf veraltete Strukturen, die die Einführung moderner Bibliotheksarbeit nicht gerade leichter machen. Wenn die Bibliothek umbauen will, muß sie sich an den Eigenbetrieb Brehoch wenden, für die Verkabelung ist die Brekom zuständig.

Das ist in Köln anders. Eine Etatkürzung von vier Millionen Mark (derzeitiger Etat: 20,5 Millionen) brachte die Stadtväter dazu, die Bibliothek umzusturkturieren. Seither ist die Stadtbibliothek von der Verwaltung unabhängig und wirtschaftet wie ein Unternehmen. Als unternehmerisch denkender Bibliothekar grübelt Bibliotheksdirektor Horst Neißer immer wieder über neue Dienstleistungen: Für die Zeitungen erledigen seine Bibliothekare die Recherche. Doktoranten können bei ihm lückenlose Literaturlisten bestellen. Die 81.000 „Mitglieder“ – wie die Bibliotheksbenutzer hier heißen - können sich die Bücher für 4,90 Mark pro Fahrt nach Hause bringen lassen. Die Benutzergebühren sind hoch. 35 Mark im Jahr. „Die Leute zahlen gern, wenn der Service stimmt“, sagt Neißer. Köln hat eine Zentralbibliothek, 13 Zweigstellen und vier Bücher-Busse. Der Sparzwang, dem die Bibliothek ihre Unabhängigkeit verdient, ist längst vergessen. „Wir sparen Geld und sind auch noch besser geworden“, so Neißer. „Aber“, mahnt der Bibliotheksdirektor, „versuchen Sie nicht, Bremen mit Köln zu vergleichen. Das ist der Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen.“ Warum eigentlich? kes