Dokumentation
: „Keine eruptive Auffälligkeit“

■ Radio Bremen-Redakteur Theo Schlüter über die Zukunftspläne seiner Chefs für die Rettung der Anstalt

Der Artikel in der jüngsten Ausgabe der „Zeit“ über die Zukunft von Radio Bremen sorgt weiter für Unruhe im Sender. Die Radio-Bremen-Oberen Rüdiger Hoffmann, Michael Geyer und Christian Berg hatten mit dem Reporter aus Hamburg über ihre Überlegeungen zur Teilprivatisierung von Produktionseinrichtungen des Senders geplaudert - und heftige Kritik vom Personalrat und Redakteursausschuß geerntet. Am kommenden Freitag wird es eine Personalversammlung zum Thema geben. Nun hat sich Radio-Bremen 3-Redakteur Theo Schlüter in einem Leserbrief an die „Zeit“ zu Wort gemeldet. Schlüter ist seit gut 20 Jahren beim Sender, ein alter Fahrensmann, der gestern auch prompt eine Erklärung für den unerwarteten Vorstoß der Chefs parat hatte: „Es ist Vollmond.“ Wir dokumentieren Schlüters Brief:

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich bin Ihnen sehr dankbar für die Veröffentlichung der Ideen der Herren Dr. Rüdiger Hoffmann (Radio Bremen-TV-Direktor), Michael Geyer (Radio Bremen-TV-Chefredakteur und Christian Berg (Radio Bremen-Hörfunk-Wellenchef).

Ich freue mich, daß es der „ZEIT“ gelungen ist, diese leitenden Angestellten des Senders zu bewegen, überhaupt einmal ein paar Gedanken zu äußern, wie sie sich die Zukunft Radio Bremens vorstellen. Die Belegschaft und die Aufsichtsgremien des Senders haben dies bisher immer vergeblich versucht.

In einer Personalversammlung Anfang Dezember 1996 mit dem Schwerpunktthema „Zukunft Radio Bremens“ war von diesen drei leitenden Angestellten des Hauses kein Wort zu hören. Und in den Aufsichtsgremien des Senders hat sich Programmdirektor Dr. Hoffmann noch nie durch eruptive Auffälligkeit in der Produktion von Ideen ausgezeichnet – jedenfalls nicht im Verwa1tungsrat, als dessen Mitglied ich ihn seit Jahren erlebe.

Dank der ,,ZEIT“-Veröffentlichung dürfte es jetzt wohl unumgänglich sein, auch hausintern über unsere Zukunftsperspektiven zu diskutieren.

Auf einige Erklärungen von Dr. Hoffmann bin ich besonders gespannt: Woran liegt es denn nur, daß ausgerechnet in seiner Zeit als Direktor und ARD- „Unterhaltungskoordinator“ Radio Bremen die „rotzfreche Unverwechselbarkeit früherer Jahre“ verloren hat?

Was verspricht sich Dr. Hoffmann von einem „garantierten Jahresumsatz“? Ich erinnere mich, daß etwa der „Bremer Vulkan“ mit dem Umsatzvolumen nie Probleme hatte.

Auch von meinem Vorgesetzten Christian Berg erwarte ich aufschlußreiche Erläuterungen. „Wir brauchen öffentlich-rechtliche Inhalte“, wird er in der „ZEIT“ zitiert, worüber ich mich sehr gefreut habe. Vor gut einem Jahr (1.Dez.1995) plädierte er in der „Frankfurter Rundschau“ noch für „gut verdauliche Themen“. (Zitat damals: „Ist es besser, einen Bericht aus einem Hungergebiet oder über eine Abschiebung zu machen als über Michael Jackson?“)

Am besten verstehe ich noch meinen alten Freund Michael Geyer, der sich, wie ich der „ZEIT“ entnehmen konnte, nun Gedanken über die Pensionen macht.

Wie schreiben Sie doch? „Die Kader der 68er Generation sind müde geworden.“

Noch einmal: Der „ZEIT“ herzlichen Dank, daß Sie Radio Bremen aufgerüttelt haben. Vielleicht kommen wir ja nun endlich auch einmal dazu, ernsthaft die Frage zu diskutieren, welche Aufgaben eine aus Gebühren finanzierte öffentlich-rechtliche Landesrundfunkanstalt wahrzunehmen hat – ganz besonders in Krisenzeiten in einer Krisenregion.

Theo Schlüter, Redakteur

P.S.: Da bei Radio Bremen – wie Sie ja sicher festgestellt haben – die Meinungsfreiheit zum Glück hoch geschätzt wird, habe ich gegen eine Veröffentlichung als Leserbrief selbstverständlich nichts einzuwenden.