Auf der Suche nach dem Warum

■ Am Tag nach dem Mordanschlag auf den linken Buchhändler Klaus Baltruschat diskutierten PDS und Bündnisgrüne über die Ursachen rechtsextremer Gewalt

Warum nur? Warum dieser Mordanschlag auf Klaus Baltruschat, den linken Buchhändler aus dem Marzahner PDS-Haus, den langjährigen Genossen? Warum nur wurde der 63jährige am Mittwoch morgen Zielscheibe eines – vermutlich – rechtsextremen Attentats?

Am Tag nach der Tat hat die Suche nach einer Antwort begonnen. Eigentlich wollten PDS und Bündnisgrüne am Donnerstag abend im Marzahner Freizeitforum über „neue Wege gegen die Kriminalität“ diskutierten. Doch: „Wir können jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“, sagte Ingrid Lottenburger (Bündnisgrüne) zu Beginn der Veranstaltung – und plötzlich waren die Podiumsteilnehmer mittendrin in der Suche nach Erklärungen. In Klischees abzudriften liegt nahe. Zum Beispiel: Plattenbaubezirke seien Nährböden für Rechtsextreme.

So leicht wollte es sich freilich niemand machen. Nickel von Neumann, Fraktionsvorsitzender der Marzahner Bündnisgrünen, fragt sich: „Warum suchen sich die Rechten ausgerechnet Plattenbezirke für ihre Aufmärsche aus?“ Seine Vermutung: „Weil sie offensichtlich der Meinung sind, hier ein Potential von Leuten vorzufinden, die von Arbeits- und Perspektivlosigkeit betroffen sind, die in engen Wohnungen leben müssen.“ Marzahns Jugendstadtrat Wolfgang Kieke (PDS) weist gegenüber der taz die Erklärungen zurück. „Wer die Besiedlungspolitik zu DDR- Zeiten verfolgt hat, der weiß, daß in Marzahn Menschen leben, die gut qualifiziert, die dynamisch, die leistungswillig sind.“ Und: „Wir haben deutlich weniger Sozialhilfeempfänger als andere Bezirke, das Familieneinkommen liegt über dem Durchschnitt.“ Jedoch, gibt Kieke zu, nach der Wende habe sich der soziale Status vieler Familien verschlechtert.

Warum nur? Der Täter, laut Zeugenaussagen ein junger Mann in Bomberjacke und Springerstiefeln, ist vermutlich der rechtsextremen Szene zuzuordnen. „Das Problem ist doch, daß bereits in der Mitte der Gesellschaft Aussagen wie ,Das Boot ist voll‘ und ,Die nehmen uns die Arbeitsplätze weg‘ hoffähig geworden sind“, sagt von Neumann.

Die Jugend im Schlepptau der Älteren? Marzahn hat in Berlin die höchste Anzahl von Jugendlichen im Alter zwischen 16 und 23. Noch ist die soziale Infrastruktur intakt (14 kommunale sowie eine Vielzahl von Jugendklubs in freier Trägerschaft). „Aber“, so von Neumann, „es gibt Kieze, da reicht die Versorgung nicht aus.“ Das Problem: Der Bezirk weigere sich seit Jahren, eine Regelförderung für freie Träger zu garantieren.

Warum nur? Renate Künast, justizpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, macht für die Ausschreitungen in Hellersdorf und den Anschlag in Marzahn Innensenator Schönbohm (CDU) verantwortlich. „Da haben wir einen, der nicht in der Lage ist, sein Amt auszuführen.“ Jens Rübsam