Einhundert U-Bahn-Linien lachen

■ Behutsam: Elfi Mikeschs „Verrückt bleiben ...“ (Panorama)

Plötzlich ist alles schön: Auf der Bühne steht die Regisseurin neben ihren Darstellern. Alle sind glücklich und umarmen einander, und im Publikum möchte man fast ein bißchen weinen: über die Schönheit des Films von Elfi Mikesch und über die Freude derer, die einem den Film geschenkt haben.

„Verrückt bleiben – Verliebt bleiben“ erzählt die Geschichte von Torsten Ricardo Engelholz, einem 31jährigen „Verrückten“, der in einer Berliner Trabantenstadt aufgewachsen ist. Seine Kindheit verbrachte er in dunklen Kammern; wo sich andere Kinder bei ihren Eltern Süßigkeiten abholen gingen, holte er sich regelmäßig „Arschvoll“ ab. Ängste und Psychosen bestimmen seine Jugend.

Er landete im Kinderheim, später in der geschlossenen Psychiatrie. Er trank seinen eigenen Urin, weil er sich fürchtete, um Wasser zu bitten. Hätte er das nicht gemacht, wäre er vertrocknet. Erst spät findet er im Theater Thikwa, einem Projekt für Behinderte und Nichtbehinderte, ein Zuhause.

Sehr einfühlsam und zurückhaltend porträtiert Elfie Mikesch, die endlich wieder einen Film realisieren konnte, ihren Helden, der in seinem Aussehen ein bißchen an DJ Motte erinnert. Der Film erzählt von den behinderten SchauspielerInnen des Thikwa, ihrem Alltag, ihrer Solidarität und ihren Wünschen; von den Bildern, die Engelholz malt und vor allem von dessen leidenschaftlicher Liebe zur U-Bahn, die er einem mit leuchtenden Augen erklärt. Die U-Bahnen verbinden die Menschen miteinander. Am schönsten wäre es, wenn es hundert U-Bahn-Linien gäbe. „Wenn zwei Verliebte am Bahnsteig stehen, ruft der Schaffner: Verliebt bleiben, bitte!“ sagt Engelholz. „Und wenn da welche verrückt sind und so ein bißchen Graffiti machen, heißt es: Verrückt bleiben!“ Detlef Kuhlbrodt

„Verrückt bleiben – Verliebt bleiben“, D 1997, 88 Min. Regie: Elfi Mikesch. Mit Torsten Ricardo Engelholz u.a.

Heute: 11 Uhr im Filmpalast