Ehre nur, wem Ehre gebührt

■ Wie die Koalition von dem Ansinnen, Bundeswehrsoldaten vor verglimpfenden Anwürfen per Gesetz zu schützen, zurückkrebst – allen voran die Freien Demokraten

Bonn (taz) – Zwei schechte Nachrichten an einem Tag – jedenfalls für Bundeswehrsoldaten, die Schutz vor Tucholsky- Zitaten und anderen „Mörder“-Anwürfen suchen: Gestern wies das Bundesverfassungsgericht einen hartnäckigen Offizier ab, der die Bestrafung eines Lehrers wegen der Verwendung des Tucholsky-Zitats „Soldaten sind Mörder“ erzwingen wollte (Bericht Seite 2). Am gleichen Tag wurde bekannt, daß sich zumindest die FDP heimlich, still und leise von dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen verabschieden will, der der Bundeswehr einen besonderen Ehrenschutz zukommen lassen wollte.

„Verunglimpfung“ von Soldaten der Bundeswehr sollte mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht sein, darin waren sich die Koalitionsfraktionen bisher einig: Die Ehre der Soldaten müsse besonders geschützt werden. Doch noch immer ist nichts passiert – und in Bonn fühlt sich keiner so recht zuständig. In der letzten Sitzungswoche vor Weihnachten stand die Verabschiedung des Gesetzes bereits einmal auf der Tagesordnung des Parlaments. Dann wurde das Thema kurzfristig abgesetzt. „Reine Termingründe“ seien dafür verantwortlich, hatte damals ein Sprecher der FDP-Fraktion gegenüber der taz erklärt. Gleich zu Beginn des neuen Jahres, hieß es, sollte der Entwurf behandelt werden.

Nun ist das neue Jahr schon ziemlich alt, und immer noch hat sich nichts getan. „Die weitere Behandlung des Gesetzentwurfs der Koalitionsfraktionen ist Angelegenheit des Deutschen Bundestages“, erklärt die Bundesregierung. Ähnlich äußert sich auch das Verteidigungsministerium: „Es steht uns nicht an, jeden Schritt im Parlament im einzelnen zu bewerten. Wir warten jetzt mal, wie die abschließende Entscheidung des Bundestages aussieht“, meint ein Sprecher der Hardthöhe. „Wir haben ja die ganze Zeit begrüßt, daß sich das Parlament des besonderen Ehrenschutzes der Soldaten annimmt, und wir freuen uns über die Solidarität des Parlaments mit den Soldaten.“

Mit der Solidarität ist das so eine Sache. In der FDP war das geplante Gesetz von Anfang an umstritten. Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig hatte noch am 23. Februar des vergangenen Jahres erklärt, er halte eine „Lex Bundeswehr“ nicht für sinnvoll. Ungeachtet dessen arbeitete sein Ministerium den Gesetzentwurf im Auftrag der Koalitionsfraktionen aus.

Das Justizministerium habe mit der Angelegenheit eigentlich nichts zu tun, sagt dort ein Sprecher. „Es ist kein Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums. Es ist ein Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen, und was diese damit vorhaben, ist ihre Sache.“ Der Sprecher bedauert, „daß es uns ja nie gelungen ist, klarzumachen, daß der Minister seine Ansicht in der Sache nicht geändert hat. Er hat von Anfang an gesagt, daß – wenn man einen umfassenden Ehrenschutz sicherstellen will – das nur über eine Verfassungsänderung geht. Wenn ein einfaches Gesetz gemacht werden soll zu diesem Zweck, dann kann es nur in der jetzt vorliegenden Form etwas bringen.“ Nur zu verständlich, daß dieser Standpunkt, in dem Zustimmung und Ablehnung auf unnachahmliche Weise miteinander verknüpft sind, schwer vermittelbar war.

Offenbar verstehen's auch die Koalitionspartner nicht recht. Der rechtspolitische Sprecher der Union, Norbert Geis (CSU), betont: „Wir stehen. Wir sind der Meinung, daß das Gesetz verabschiedet werden soll.“ Er könne sich nicht vorstellen, daß die Freidemokraten von ihrer ursprünglichen Linie so abweichen, daß sie nicht mehr zustimmen – zumal der Text des Entwurfs „aus einem FDP-geführten Ministerium kommt“.

Bei den Freien Demokraten scheint die Zahl derjenigen, die dem geplanten Gesetz ablehnend gegenüberstehen, zu steigen. „Der Ball liegt jetzt im Feld der FDP“, war aus Unionskreisen zu hören. Ein Sprecher der FDP-Fraktion will den allerdings so schnell wie möglich abgeben. Er verweist auf den Bundesvorstand der Partei, der sich am Montag mit dem Thema befaßt habe.

Der gibt den Ball schleunigst zurück. Generalsekretär Guido Westerwelle will sich nicht äußern. Das Thema sei „im Fluß“. Ein FDP-Parteisprecher erklärt, der Bundesvorstand habe die Frage am Montag ausgiebig diskutiert. Entgegen anderslautenden Presseberichten sei aber nicht über das geplante Gesetzesvorhaben abgestimmt worden. Man habe das Thema vielmehr an die Bundestagsfraktion weitergegeben mit der Bitte, es weiter zu beraten.

Neuerlicher Ballwechsel. Das sei richtig, wird von der FDP-Fraktion bestätigt. Wann die Beratungen stattfinden werden, lasse sich jetzt noch nicht sagen.

Ball im Aus. Bettina Gaus