■ Nachschlag
: Hochgradig selbstgenügsam: „Andy Warhols Party“ im Schoko-Laden

Wenn man Samstag abend ins „Käthchen“ reinkam, wie der Vorraum des Theatersaals des Schoko-Ladens heißt, sah man rechts auf einem Bildschirm, wie eine Frau einen Mann, der wie Brian Conolly aussah, über seinem T-Shirt wichst. Der Mann übernimmt die Sache dann nach einer Weile. Im gegenüberliegenden Fernsehen ist ein Pärchen eher konventionell zugange. Dazwischen wird warmes Wernesgrüner ausgegeben, es ist der zehnte Todestag von Andy Warhol.

Der Schoko-Laden hat aus diesem Anlaß eine Veranstaltung organisiert, die um das Phänomen Andy Warhol kreiste. Die Wände waren mit seriellen Papierblumen und berühmten Zitaten beklebt, und der Meister selbst schaute von einem Foto nervös und konzentriert auf das Publikum. Wer weiß, wie es in wieder zehn Jahren um seinen Bekanntheitsgrad steht, aber zu dieser Feier erschienen einige Männer richtig Andy Warhol-like, mit großer Hornbrille und geföntem Scheitel. Ohnehin genügte man sich sehr selbst, was einer der Gründe dafür war, daß die Lesung aus dem Tagebuch Andy Warhols so gut wie unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfand. Zwei Frauen lasen Stichproben von Warhols Wahrnehmungen seiner Welt vor. Ein pedantisches Namenaufzählen, Geringschätzen, Würdigen und am Ende immer mit dem Taxi nach Hause, und er vergaß nie, den Fahrpreis zu notieren.

Zum Holocaust macht er recht trostlose Äußerungen, aber über seine Arbeit läßt er sich nicht näher aus. „Bis sieben gearbeitet“, heißt es beispielsweise, „dann Party bei Jerry. Nur ein kleiner Kreis, fühlte mich aber mies.“ Jerry Hall ist damit gemeint, deren Mann Mick Jagger war und ist, der auch oft vorkommt im Tagebuch. Die Lesung hatte sich zu bescheiden in eine hintere Ecke des Raums verkrochen und wurde prompt von Velvet Underground, Warhols Hauskapelle, übertönt, denn es war noch ein Konzert angekündigt. Es begann die alte Popkonzert-Mucke, also warten. Immerhin hatte man nun Gelegenheit, die Andy Warhol gewidmeten Wände mit Zeitungsausschnitten, Fotos und Filmplakaten zu betrachten. Dann kam die Band, „Elektro Blitz Mitte“. Mit dem Megahit „Am Tag, als Conny Kramer starb“ von Juliane Werding. Anschließend Party. Eine unschöne Frau tanzte die ganze Zeit über wie verzaubert. Sie war die einzige, die das Warholsche Diktum, daß in Zukunft jeder für 15 Minuten berühmt sein wird, an diesem Abend wahr machte. Mit der U-Bahn nach Hause. Umsonst. Katrin Schings