■ Nebensachen aus Kapstadt
: Vom kleinen afrikanischen Unterschied

„Afrikanisierung“ lautet eines der Zauberworte des neuen demokratischen Südafrika. Wie bitte? Afrikanisierung eines afrikanischen Staates?

Das fragen aber nur die frisch eingeflogenen Europäer. Die haben wirklich keine Ahnung von Postkolonialismus und Apartheid. Man will schließlich Urlaub machen. Hier in Kapstadt ist Afrika ohnehin angenehm weit weg. Na ja, es leuchtet ein, daß die Schwarzen nach mehr als 350jähriger Unterdrückung nun laut sagen wollen, daß dies ein afrikanisches Land ist.

Ist doch auch schön, wenn „die“ ihre afrikanischen Gewänder tragen – bei der Parlamentseröffnung zum Beispiel. Da ist neuerdings alles erlaubt: Marike de Klerk von Kopf bis Fuß in Feuerrot gehüllt neben Parlamentsabgeordneten in Xhosa-Tracht. Die örtliche Presse behilft sich jetzt mit zwei Preisen für die schönsten PolitikerInnen: für den westlich-europäischen Stil und für den traditionell-afrikanischen. Ein barfüßiger ANC-Abgeordneter mit nacktem Oberkörper war der einhellige Gewinner. „Afrika-Chic stiehlt die Show“, hieß es in der Schlagzeile am nächsten Tag.

„Ich bin ein Afrikaner“, sagte Vizepräsident und Kronprinz Thabo Mbeki schon im vergangenen Jahr anläßich der Verabschiedung von Südafrikas erster demokratischer Verfassung in einer, wie die Kommentatoren jeden Hautfarbe übereinstimmend werteten, programmatischen Rede. „Wir sind Afrikaner“, sagen die Buren in Südafrika. „Wir sind Afrikanisten“, sagt Stanley Mogoba, neuer Vorsitzender des Panafrikanischen Kongresses (PAC).

Das Englische, das mehr und mehr zur Lingua franca unter den elf offiziellen Landessprachen Südafrikas wird, macht dabei feine Unterscheidungen. Afrikaner ist nämlich nicht gleich Afrikaner. Mbeki spricht von „Africans“, Frederik de Klerk aber von „Afrikaners“. Kann ein „Afrikaner“, ein weißer Bure also, dessen Vorfahren seit Jahrhunderten in Afrika leben, ein Afrikaner sein? Oder gar ein Pan- Afrikanist?

Im Alltag bleibt meist der kleine Unterschied. Mit dem heißt es, vorsichtig zu hantieren, schon gar für eine mehrfache Nicht-Afrikanerin wie mich. Wir haben es doch nur gutgemeint, sagen die Afrikaner, wenn sie über Apartheid sprechen. Was verstehst du schon davon. Du bist nicht aus Afrika. Du verstehst unsere Kultur nicht, sagen die Africans, wenn du über Korruption und Selbstbereicherung im neuen Südafrika sprichst. Rassistin! Yebo!

Dieses Zulu-Wort ist wohl der beste Beweis für die Afrikanisierung Südafrikas. Je nach Kontext heißt es „Hallo“, aber auch so etwas wie „Genau!“ oder „Geht klar!“ Yebo gehört mittlerweile zum aktiven Sprachschatz des Managements von Großfirmen und blütenweißen Wasserball- und Cricketmannschaften in den vornehmen britischen Sportklubs. „Yebo Gogo“, „Hallo, Großmutter“, ist der Kernsatz in Südafrikas wohl erfolgreichstem Werbespot. Einer der beiden großen Funktelefonbetreiber führt darin, perfekt und liebevoll, kopflose Weiße vor.

Deren Unterlegenheit wird einmal mehr bewiesen, als sie kein Funktelefon haben und dadurch ständig in lebensbedrohliche Situationen geraten. Die Rettung erscheint immer in Gestalt eines alten Schwarzen, der entspannt mit der Gogo plaudert – per Funktelefon, versteht sich.

Das Funktelefon übrigens legt der moderne Südafrikaner, ganz egal welcher Hautfarbe und Anrede, möglichst nur zum Schlafen weg. Soll noch einer sagen, daß Werbung nicht identitätsstiftend ist. Kordula Doerfler