„Das ist Europa live!“

■ Cohn-Bendits größter Wunsch: Als Kandidat der französischen Grünen 1999 für die Wahlen zum Europaparlament anzutreten

taz: Das Multikulti-Ämtchen ade – tut scheiden nun weh?

Daniel Cohn-Bendit: Eigentlich nicht. Ich war da jetzt acht Jahre lang ehrenamtlicher Stadtrat in Frankfurt am Main. Das war eine Arbeit, die mir sehr viel Spaß gemacht hat und die auch notwendig war. Jetzt kommt eine neue Ära. Entweder wird das Amt zu einer Schnittstelle für Multikultur, Jugend, Familie und Schulen, so wie wir uns das vorstellen. Oder SPD und CDU machen nach den Wahlen etwas ganz anderes.

Was war der größe Erfolg, was der größte Flop?

Erfolgreich waren wir darin, Konflikte zu entschärfen, Konflikte unter Ausländern und Konflikte zwischen Ausländern und Deutschen. Und es ist uns gelungen, die Deeskalationsarbeit zu institutionalisieren. Der größte Flop? Das war meine Idee, statt des Hochhauses Campanile am Hauptbahnhof einen riesigen multikulturellen Basar zu bauen. Keiner ist darauf abgefahren und letzten Endes stand ich alleine da.

Ist Danniel Cohn-Bendit, halb Franzose, halb Deutscher und dazu noch ein Multisprachentalent, heute der Europaparlamentarier par excellence?

Da sag ich jetzt nicht: ja. Denn sonst würde ich meine engagierten Kolleginnen und Kollegen im Europaparlament diskreditieren. Aber es stimmt, daß ich mich dort sehr wohl fühle. Und daß ich über nationale und über Fraktionsgrenzen hinweg doch einiges bewegen kann.

Deshalb auch jetzt: deutsche Grüne ade? Wollen Sie 1999 über die Liste der französischen Grünen erneut ins Europaparlament einziehen?

Das ist noch nicht entschieden. Aber es würde mich sehr reizen. Ich bin ja in Paris aufgewachsen und habe dort studiert – bis zu meiner Ausweisung 1968. Es gibt heute in Frankreich ein großes Potential an Wählern für eine linke, ökologische Partei. Aber die Grünen dort sind zerstritten. Wenn ich dabei helfen kann, bei den französischen Grünen einen Konsolidierungsprozeß in Gang zu setzen, wäre ich dazu bereit. Wenn, dann möchte ich gerne im Bezirk Paris/ Ile de France kandidieren. Meine Heimat wird aber dennoch immer Frankfurt bleiben. Hier lebt meine Familie, hier leben meine Freunde. Maastricht hat das möglich gemacht: als Deutscher in Frankreich auf einer grünen Liste zu kandidieren und doch Frankfurter zu bleiben. Das ist Europa live!

Der alte Traum, einmal als Außenminister einer rot-grünen Bundesregierung bei einem Staatsempfang in Paris auf dem ausgerollten roten Teppich mit militärischen Ehren empfangen zu werden, nachdem Sie 1968 des Landes verwiesen wurden, ist also ausgeträumt?

Noch nicht ganz, wenn auch nicht mehr in dieser konkreten Version. Europa wird sich natürlich weiter entwickeln; und für Europapolitiker mit Funktion liegen dann in den Hauptstädten sicher auch rote Teppiche aus – auch in Paris. Interview: K. P. Klingelschmitt