AbtreibungsärztInnen hoffen auf Karlsruhe

■ Entscheidung über einstweilige Verfügung gegen bayerisches Sonderrecht wird vorbereitet. Ein Richter hält sich für befangen. Per Los wird sein Ersatz bestimmt

Freiburg (taz) – Das Bundesverfassungsgericht wird demnächst eine Vorentscheidung über den bayerischen Sonderweg beim Abtreibungsrecht treffen. Acht betroffene bayerische ÄrztInnen haben nicht nur Verfassungsbeschwerde gegen die umstrittene bayerische Zusatzregelung erhoben, sondern in Karlsruhe auch eine einstweilige Verfügung beantragt. Bayerische ÄrztInnen und Krankenhäuser dürfen seit Oktober 1996 nur noch 25 Prozent ihrer jährlichen Einkünfte aus Schwangerschaftsabbrüchen erzielen. Spezialisierten ÄrztInnen droht damit das wirtschaftliche Aus.

Mitte der Woche muß jedoch erst einmal über die Besetzung des Gerichts in dieser Sache entschieden werden. Zuständig ist diesmal der Erste Senat des Verfassungsgerichts, und dort sitzt seit Oktober 1995 auch Paul Steiner. Der Rechtsprofessor aus Regensburg hatte aber vor vier Jahren die Bundesregierung im Verfahren um die Neuregelung des Abtreibungsrechts vertreten. Jetzt hat er einen Befangenheitsantrag in eigener Sache gestellt. Folgt ihm der Senat, dann muß der von der Union nominierte Steiner durch einen Richter aus dem Zweiten Senat ersetzt werden.

Wie bei den stark weltanschaulich geprägten Abtreibungsverfahren üblich, wird schon wieder über die Mehrheitsverhältnisse am Gericht spekuliert. Die per Los zu bestimmende ErsatzrichterIn aus dem Zweiten Senat dürfte allerdings kaum eine Verschiebung der Kräfte im Ersten Senat mit sich bringen. Ein Blick in den Zweiten Senat zeigt: Die von der SPD nominierte Richterin Karin Graßhof stimmt in Abtreibungsfragen in der Regel mit den vier von der CDU nominierten RichterInnen. Nicht zur Verfügung stehen außerdem zwei weitere von der SPD nominierte RichterInnen. Jutta Limbach ist als Präsidentin an Vertretungsaufgaben gehindert,und der erst jüngst zum Richter ernannte Winfried Hassemer war im 218-Verfahren selbst als Prozeßvertreter beteiligt. Nur wenn das Los Bertold Sommer zum Ersatzrichter bestimmt, könnten sich die Mehrheitsverhältnisse im Ersten Senat verschieben.

Die bei der Klage federführenden Ärzte Friedrich Stapf (München) und Andreas Freudemann (Nürnberg) dürften das Losverfahren dennoch mit gewisser Ruhe verfolgen. Da es um Berufsrecht (und nicht um Strafrecht) geht, ist diesmal der fortschrittlichere Erste Senat zuständig. Hintergrund: Für einen der Richtersitze in diesem Senat tritt die Union das Vorschlagsrecht traditionell an die FDP ab, so daß Freiheitsanliegen hier in der Regel einen besseren Stand haben als im Zweiten Senat. Christian Rath