Bremer auf der Berlinale

■ Schlimm: Die Hansestadt kam bei den Filmfestspielen 1997 kaum vor / Gratis: Ein kleiner Knigge für das nächste Jahr

Mit möglichst viel „Bremen-Bezug“ von den Berliner Filmfestspielen zu berichten war nie einfach. Aber in den letzten Jahren konnte man sich zumindest darauf verlassen, daß Thomas Mitscherlich hier sein neustes Werk präsentierte oder daß ein Kurzfilm von einem Bremer Filmemacher im Panoramaprogramm gezeigt wurde. Doch in diesem Jahr gab es gar nichts aus heimischer Produktion auf den Leinwänden zu sehen – mal abgesehen von Hans Koschnik, über dessen Arbeit in Mostar ein Dokumentarfilm gedreht wurde (von dem wir noch ausführlich berichtet werden). Und mal abgesehen auch vom weltberühmten Bier in den grünen Flaschen. Aber selbst das war diesmal nur in dem isländischen Film „Die Teufelsinsel“ zu entdecken – dafür allerdings gleich kistenweise –, während es die Filmhelden früher in Hollywood-Produktionen mindestens so oft und werbewirksam runterkippten wie Jack Daniels oder Budweiser.

Die Bremer Kino- und Filmszene war aber wieder wie jedes Jahr fast geschlossen nach Berlin angereist, und so konnte der Berichterstatter beim Gyros-Imbiß am Bahnhof Zoo oder in den Gängen des Cinecenters in der Budapester Straße wieder mehr Bekannte treffen als auf dem Ostertorsteinweg. Die Kollegin von Radio Bremen etwa wechselte ständig zwischen dem Zoopalast und dem Pressezentrum im Interconti-Hotel und konnte einem von Herzen leidtun, weil sie sich für ihre täglichen Zehn-Minuten-Berichte im „Journal am Morgen“ alle Filme des diesmal besonders armseligen Wettbewerbs ansehen mußte.

Dem genau entgegen stand die Guckliste eines stadtbekannten feingeistigen Filmemachers, der leicht hochnäsig verkündete, er sehe sich aus Prinzip nur die Filme des Forum-Programms an – und darunter insbesondere die Reihe mit brasilianischen Produktionen. Den Tip, daß nun ausgerechnet der brasilianische Beitrag des Wettbewerbes zu den wenigen wirklich gelungenen Werken des gesamten Festivals gehörte, quittierte er mit einem pikiertem Naserümpfen. So was sagt man in diesen Kreisen einfach nicht! Die Bewahrer der reinen Filmkunst verpassen lieber einen guten Film, als daß sie das Risiko eingehen, im Zoopalast als Überläufer aus den heiligen Hallen des Forums erwischt zu werden.

Ein Programmmacher vom Kino 46 mit Vorliebe für das obskure und schräge Kino beklagte sich dagegen über das langweilige Forumprogramm, in dem leider viel weniger Actionfilme aus Asien als in den letzten Jahren auftauchten. Er rannte nachts über den Ku'damm, um nach dem Liebesfilm aus Hongkong noch pünktlich in den psychedelischen Drogenfilm aus Holland zu kommen. Ein paar Bremer Kinobetreiber traf man dagegen garantiert bei den Tradeshows der Verleihfirmen morgens um elf mit nachfolgendem Schnittchen-Essen. Der Kollege von dem kleinen Viertelkino, den man sonst entweder in Kinofoyers oder dem Cafe des Cinecenters trifft, war diesmal nicht zu entdecken, aber das will nichts heißen, denn von ihm hört man, er komme jedes Jahr nach Berlin ohne sich akkreditieren zu lassen und auch nur einen Film zu sehen. So ist er vielleicht einer der wenigen, die von diesem Jahrgang der Berlinale nicht enttäuscht sind – denn immerhin sollen die Partys besser gewesen sein als die Filme.

Wilfried Hippen