Errorismus Von Mathias Bröckers

Weil das Radar seines Hubschraubers ausgefallen war, hatte ein Pilot im Nebel die Orientierung verloren. Als er die Gebäude einer Stadt entdeckte, flog er dicht an ein Hochhaus heran, so daß die Belegschaft eines Büros auf ihn aufmerksam wurde. Er hielt ein Blatt mit der Frage „Wo bin ich?“ ans Fenster, worauf die Büroleute mit der Nachricht antworteten: „In einem Hubschrauber!“ „Da wußte ich, wo ich war“, so der Pilot, „das konnte nur die Zentrale von Microsoft sein. Niemand sonst auf der Welt gibt auf einfache Fragen derart nutzlose Antworten.“

Der Windows-Verächter-Witz, der im Internet kursiert, ist nicht neu, doch in seiner aktuellen Adaption äußerst treffend, auch wenn er natürlich nicht allein auf die Betriebssysteme und Programme aus dem Haus Gates zutrifft. Da diese aber am weitesten verbreitet sind, tritt hier der paradoxe Irrsinn am ehesten zutage. Seit das britische Wissenschaftsmagazin New Scientist in seiner Feedback-Spalte – einer Art „Hohlspiegel“ der Wissenschaft – vor einigen Monaten einige kuriose Fehlermeldungen abdruckte, wird das Blatt regelmäßig mit merkwürdigen error-messages versorgt, die perplexe Leser von ihren Computern empfangen. Meldungen wie „Unbekannter Irrtum aufgrund unbekannter Fehlfunktion eines unbekannten Geräts“ sind dabei noch das Harmloseste. Daß Computer keine Ahnung haben, wußten wir ja schon länger. Die Nachricht „Ein unentdeckbarer Irrtum hat sich ereignet“ geht schon einen Schritt weiter, denn wie kann ein Rechner etwas entdecken, das er selbst für „undetectable“ hält? Hat er etwa göttliche Funktionen? Das könnte man meinen, wenn man die Fehlermeldung liest, die ein Unix-Benutzer empfing, als er ohne korrekte Anmeldung die „Talk“-Einrichtung seines Programms nutzen wollte und mit dem Kommentar: „Go away. You don't exist“ rausgeschmissen wurde.

An den Maler Magritte und die Dichterin Stein gemahnt die neo- dadaistische Meldung: „This is not a typewriter.“ Doch während dieser Rechner zumindest noch weiß, was er nicht ist, blieb ein anderer völlig vage: „Error: Disk is full, or something...“ – irgend was wird schon faul sein. Ebenfalls in diese Richtung geht eine meiner Lieblingsmeldungen: „Probably a hardware or software error.“ Das „vielleicht“ ist einfach genial, es tut probalistisch so, als ob es außer der Kiste und dem Programm noch etwas Drittes gäbe. Das ist immerhin freundlich, anders als die rüde Nachricht, die jemand empfing, als er den Handbuch-Ratschlag „Press F1 for Help“ befolgte: „There ist no help here!“ Ähnlich dreist war auch schon unser alter „Amiga“, der nach jedem Absturz eine Zwangsmeditation forderte und hämisch „Guru Meditation“ blinkte.

Bei so viel selbstreferentiellem Irrsinn lobe ich mir doch die berühmte Error-Meldung aus der Computersteinzeit Anfang der Achtziger, als im taz-Sazz das erste Netzwerk installiert war: „Karl fragen“. Da Karl (Wegmann) in Rufweite hockte und fast immer da war, gab's fast nie ein Problem. Wahrscheinlich hatte sich das Bill Gates auch mal so gedacht – war aber leider nix. Statt all dieser Irrsinnsmeldungen könnten sich die Erroristen der Computerbranche aber zumindest auf einen kosten- und hirnschmalzsparenden Standard einigen: Ask Bill!