■ Im Allgäu wie ein Indianer leben
: „Nutria schmeckt astrein wild“

Pierre Leloup ist schon längst in die ewigen Jagdgründe eingegangen. Als französischer Pelzhändler der Hudson Bay Company fristete er im mittleren Westen Amerikas sein Dasein. Zu einer Zeit, als das Leben noch so richtig hart und abenteuerlich war; als Trapper wie auch Indianer kaum älter als 40 bis 45 Jahre wurden. Doch Pierre Leloup ist nicht tot – der Abenteurer aus dem Wilden Westen lebt.

Peter Loose, seit vielen Jahren im Allgäu ansässiger Berliner, hat den Namen von Leloup, dem Wolf, angenommen. In seiner Freizeit, wenn Peter Loose nicht mehr Peter Loose, sondern Trapper ist, wenn er lebt, wie Pelzhändler damals gelebt haben, wenn er sein Tipi aufschlägt, dann ist Pierre Leloup wieder aktiv. „Acht bis zehn Jahre braucht jemand, der ernsthaft in dieses Hobby einsteigt, bis er seinen Typ, seinen Namen gefunden hat“, erzählt der Indianistikkenner Loose.

Was Außenstehenden ein wenig wie verklärte Faschingsromantik anmuten mag, ist für die Indianistikfreunde weit mehr. Ein Hobby, dem die über 100.000 offiziell in Vereinen organisierten Indianistikfans sehr ausgiebig frönen. „Ich kann sehr wohl zwischen meinem bürgerlichen Dasein und meinem Trapperdasein unterscheiden“, sagt Peter Loose. „Auch wenn wir untereinander durchaus im Briefverkehr mit unseren Indianer- oder Trappernamen unterschreiben.“ Nicht jeder freilich versteht es zu differenzieren. Immer wieder tummeln sich in ihren Gefilden auch Gelegenheitscowboys, die vormittags als Trapper, mittags als Indianer und nachmittags als Fallensteller unterwegs sind.

Doch für Peter Loose und seine Freunde vom Clan der Turtles steckt mehr hinter dem Hobby. Das Wissen über Trapper und Indianer, das Engagement für Indianerbelange in der Neuzeit. Aber natürlich auch die Lust am Abenteuer, am Leben wie ein Indianer. In seinem typischen Cheyenne- Tipi knistert das Feuer, ein Topf Suppe kocht vor sich hin. „Man kann am Tipi erkennen, welcher Stamm drin wohnt, weil die fast alle andere Formen haben, von der Grundfläche her, von den Rauchklappen.“ Er muß es wissen, denn um diesem Hobby nachgehen zu können, muß man, wie jeder andere auch, Geld verdienen. Und das tut Peter Loose durch die Fertigung von Indianerzelten. „Angefangen hat es bei mir wie bei fast jedem. Es hat jeder seinen Karl May gelesen, und irgendwann kommt man dann drauf, daß man ein bißchen tiefer reingeht.“ Hat er getan. Und heute weiß er unendlich viel über Indianer und den Wilden Westen. „Es sind, was vielen nicht bekannt ist, unheimlich viele Bayern rübergegangen. Die Bayern und die Schwarzen waren, ganz nebenbei gesagt, die besten Cowboys.“ Viele Klischees, sagt Leloup, würden nicht zutreffen. Beispiel Essen: „Die Hauptnahrung der Indianer waren nicht die Riesenbüffelsteaks, sondern es stand immer ein Riesenkübel Suppe auf dem Feuer, und wer kam, konnte mitessen.“

Für heutige Gaumen weniger reizvoll war die besondere Spezialität für gern gesehene Gäste: „Da gab's, weil wir gerade in einem Cheyenne-Tipi sitzen, bei diesem Stamm den dicksten und fettesten Hund.“ Hund steht bei Peter Loose heute nicht mehr auf dem Speiseplan. „Aber Nutria. Das schmeckt astrein wild, wie ein normaler Feldhase, nur daß viel mehr Fleisch dran ist.“ Nutria bekommt er hin und wieder von Nutriazuchten, wo lediglich das Fell Verwendung findet. Auch Schaf steht immer wieder auf dem Speiseplan. „Und hin und wieder ganz indianermäßig Pferd.“ Dabei wurde bei Indianern Pferd nur relativ selten gegessen. Die Pferde waren vielmehr ein beliebtes Handelsobjekt. „Mit Pferden haben sie sich ihre Frauen gekauft.“ Selbst praktizieren das Indianistikfreunde heute freilich nicht mehr auf diese Weise.

Pierre Leloup hat sein Tipi in einem Tal nahe Kempten aufgebaut. Draußen fegt ein kalter Wind durch die Bäume, im Cheyenne- Zelt aber ist es wohlig warm. Eine aus Weiden geflochtene Bettstatt, viele Pelze, Kaffee vom offenen Feuer. Und Leloup erzählt vom Wilden Westen, der mit einem Mal ebenso spannend ist wie der von Karl May. Zur Zeit ist der Berliner aus dem Allgäu viel unterwegs, vor allem in Alaska. Schlittenhunderennen, Messen und Ausstellungen. Doch wenn er dann sein Tipi aufschlägt, dann stößt auch immer wieder mal für einige Tage sein 25jähriger Sohn Thorsten dazu. „Der ist von klein auf reingewachsen.“ Und ganz schlecht scheint es ihm ja nicht gefallen zu haben — das Leben als Trapper und Indianer. Klaus Wittmann