Dreieinigkeit in der Architektur

■ Religiosität und Soziologie. Das römische Vikariat prämierte Richard Meiers Kirche als Gemeindezentrum

Die Kirche als Gemeindezentrum: Mit diesem Entwurf gewann Richard Meier den internationalen Wettbewerb für die „Kirche des Jahres 2000“, den das römische Vikariat im letzten Jahr ausgeschrieben hatte.

Bis Ende des Monats werden sämtliche Entwürfe im „Urban Center“ an der Madison Avenue in New York ausgestellt. Das Haus versteht sich als Architekturzentrum, das Konferenzen und Ausstellungen zur Architektur der Gegenwart organisiert, vor allem zu Aspekten des städtischen Bauens.

Insofern paßt der Wettbewerb zum Programm des Hauses: Sechs Architekten, außer Meier noch Frank Gehry und Peter Eisenman, Günther Behnisch, Tadao Ando und Santiago Calavatra, wurden eingeladen, um für die etwa 8.000 Bewohner des heruntergekommenen Viertels Tor Tre Teste am Rande Roms eine Kirche als Gemeindezentrum zu konzipieren.

In Anbetracht der städtebaulichen und gesellschaftlichen Atomisierung, so der Ausschreibungstext, sei ein gemeinnütziger Versammlungsort „dringend nötig“. Die „Kirche des Jahres 2000“ soll „Willkommensort, Treffpunkt und Kirche“ zugleich sein – der Architektur, der Soziologie und der sogenannten „neuen Religiosität“ sollten die Entwürfe damit Rechnung tragen. Insofern sie Bau und Umgebung zu harmonisieren suchen, Gartenanlagen und Innenhöfe vorsehen, Aufenthaltsräume gestalten, werden alle Beteiligten dem Thema gerecht. Als Versammlungsort war die Kirche schon immer eine besondere Herausforderung an jede Art von Architektur.

In den ausgestellten Beispielen erkennt man vor allem einen spielerischen Umgang mit dem Zweckbau Kirche und den ernsthaften Versuch, seine kommunale Bedeutung aufzuwerten. Die kirchenübliche Symbolik fehlt in allen Entwürfen: Glaube sei nicht Sache der Architekten, sondern derjenigen, die später das Gebäude benutzen werden, erklärte der dominikanische Pater Giacomo Grasso als Mitglied der Jury. Tatsächlich sieht Meiers prämierter Entwurf ein bißchen nach Konferenzzentrum und ein bißchen nach Museum aus, und doch scheint durch den seitlichen, theatralisch inszenierten Lichteinfall eine besondere, andächtige Stimmung aufzukommen.

Drei gleiche Kreise, die zusammen mit einer gewölbten Rückwand das Hauptschiff ausmachen, suggerieren die Heilige Dreieinigkeit; und das Wasser, das das Gebäude umsäumt, ist ein diskreter Hinweis auf die Taufe.

Großzügige Durchgänge verbinden den Innenhof mit dem Hauptschiff, das Versammlungs- und Andachtsort ist, und den seitlichen, kleineren Kapellen. Sein Markenzeichen, die gerade, quadratische Geometrie, kombiniert Meier mit Rundungen zu einer nüchternen Ästhetik, bei der Funktionalismus und Pathetismus sich im Gleichgewicht halten. Und fast überall fällt das Tageslicht herein. Stefana Sabin