„Wir wollen endlich nach Hause“

In der „Koalition für die Rückkehr“ ziehen Serben, Muslime und Kroaten an einem Strang. 300 Initiativen aus dem In- und Ausland fordern für alle Bosnier das Recht auf Rückkehr ein  ■ Aus Tuzla Erich Rathfelder

Es war schon ein ungewohntes Bild. Da saß die vertriebene Frau aus Srebrenica neben einem vertriebenen Serben aus Grahovo. Kroatische Flüchtlinge aus Bugojno unterhielten sich mit Serben aus Banja Luka, ein serbisches Fernsehteam interviewte den muslimischen Exil-bürgermeister von Brčko. Ein Querschnitt der mehr als zwei Millionen Vertriebenen traf sich zum ersten Mal nach dem Krieg am vergangenen Wochenende in Tuzla zu einer gemeinsamen Diskussion. Vertreter von fast 300 Vertriebenenorganisationen, aus allen Landesteilen Bosnien-Herzegowinas und dem Ausland, waren gekommen. Und sie waren sich in einem einig: „Wir wollen endlich nach Hause gehen.“

Fatima Huseinović, eine der Vertreterinnen der Srebrenica- Flüchtlinge, war gerührt. Bisher hatte ihre Gruppe isoliert und aussichtslos für ihre Rückkehr gekämpft. Große Hoffnung zu schöpfen sei noch zu früh, erklärte sie. Auch Ismet Sehalić, Chirurg aus Jajce, 1992 vertrieben und bis 1994 Flüchtling in Berlin, jetzt wieder in Sarajevo tätig, riet zur Vorsicht. Aber immerhin passiere jetzt etwas. Der Franziskanermönch Franjo Radmann aus Sarajevo dagegen äußerte sich begeistert. Die Bewegung sei in vier Monaten schnell gewachsen. Immer mehr Leute und Gruppen wollten in die Koalition eintreten, erklärte er, der wie seine Brüder von Beginn des Krieges an gegen die Teilung Bosniens kämpfte. Katrina Miloković, serbische Journalistin aus Banja Luka, wunderte sich, wie selbstverständlich die Leute miteinander umgingen. In der ehemals von Serben beschossenen Stadt Tuzla seien auch die Leute auf der Straße ihr gegenüber, der Serbin aus Banja Luka, freundlich geblieben.

Manche Gruppen legten konkrete Pläne für die Rückkehr vor. So eine Initiative von Muslimen, die in das serbisch dominierte Sipovo zurückkehren wollten. Auch eine Initiative von Serben, die aus der nun unter kroatischer Kontrolle liegenden Stadt Grahovo stammen, bereiten ihre Rückkehr vor. Sie verhandeln mit den örtlichen Behörden und den internationalen Organisationen. Und stoßen dabei auf den Widerstand nicht nur der neuen Machthaber in ihren Herkunftstädten. Momsilo Krajisnik, Premierminister der Republika Sprska, forderte am Sonntag, das Treffen in Tuzla sofort aufzulösen. Und auch Razim Kadić, Flüchtlingsminister in Sarajevo, kritisierte die „Koalition für die Rückkehr“. Die Machthaber allseits fürchten, die Bewegung könne ihnen aus den Händen gleiten.

„Die Koalition für die Rückkehr“ ist mit diesem Treffen schon zu einem politischen Faktor in Bosnien-Herzegowina geworden. Das war die Botschaft aus Tuzla. Die Selbstorganisationen aller Vertriebenen könne den politischen Extremisten entgegentreten, die für den Krieg, die ethnischen Säuberungen, die Vertreibungen verantwortlich sind und immer noch die Macht in den Händen halten, ist der gemeinsame Standpunkt. Jetzt soll sich die Organisation konsolidieren, soll in fünf Arbeitsgruppen gemeinsame Aktivitäten entfalten, soll die Führungen der Republika Srpska und der bosniakisch-kroatischen Föderation unter Druck setzen. Die unabhängige Presse und die von der Bildt- Administration unterstützten freien Fernsehstationen in Mostar, Banja Luka, Tuzla und Sarajevo sollen über die Initiative in ganz Bosnien-Herzegowina informieren. Die Koaliton will in diesen Städten Regionalbüros eröffnen.

Auch Bärbel Bohley strahlte zufrieden. Die kritischen Äußerungen der Machthaber seien als Lob für die Arbeit der Initiativen zu verstehen. Die ehemalige DDR- Bürgerrechtlerin ist als Menschenrechtsbeauftragte in der Bildt-Administration seit vier Monaten mit der Selbstorganisation der Flüchtlinge beschäftigt. Sie hat mit ihrer Arbeit sogar die Initialzündung für die Gründung der „Koalition für die Rückkehr“ gegeben. Mit Logistik und Ideen unterstützt die Administration den Versuch, „von unten Druck zu machen“. Der deutsche Diplomat Michael Steiner, Stellvertreter des Hohen Repräsentanten Carl Bildt, sagte vor den Delegierten: Wenn Zehntausende von Menschen der nationalen und internationalen Öffentlichkeit zeigen, daß sie in ihre Heimat zurückkehren wollten, könne niemand mehr das Gegenteil behaupten. Oder erklären, Muslime, Kroaten und Serben könnten nicht zusammenleben.

Von der internationalen Gemeinschaft fordert die Koalition Rückkehr finanzielle Mittel zum Aufbau der Organisation. Schon regen sich auch Widerstände. Gerade die Mächte, die eine Teilung Bosniens wollten, sehen die Initiative mit gemischten Gefühlen an. „Es gibt auch viele Möglichkeiten der Sabotage. Die internationale Gemeinschaft muß sich jetzt aber der Frage der Rückkehr und der Initiativen der Vertriebenen stellen.“ Die Bildt-Administration stehe in vollem Umfang hinter ihrem Konzept, sagte Bärbel Bohley.