Ministeropfer in Israel

■ Netanjahu schiebt Verantwortung für Rechtsberaterskandal auf Justizminister

Jerusalem (AFP/dpa) – Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu versucht, die Veranwortung für den Rechtsberaterskandal auf seinen Justizminister Tsahi Hanegbi abzuwälzen. Der Anwalt Netanjahus, Jaakov Weinroth, sagte gestern, Hanegbi habe den Regierungschef in die Irre geführt. Der Justizminister habe behauptet, der Vorsitzende des Obersten Gerichts habe seine Zustimmung zur umstrittenen Ernennung von Roni Bar-On zum Rechtsberater der Regierung gegeben.

Bar-On soll den Posten erhalten haben, nachdem der Chef der ultra-orthodoxen Schas-Partei, Arie Deri, Druck auf Netanjahu ausgeübt hatte. Deri soll damit gedroht haben, mit seiner Partei gegen das am 15. Januar geschlossene Hebron-Abkommen zu stimmen, falls Bar-On den Posten nicht bekommt. Bar-On wurde am 10. Januar zum Rechtsberater der Regierung ernannt, trat aber auf öffentlichen Druck hin umgehend zurück. Daraufhin wurde der angesehene Richter Eliakim Rubinstein auf den Posten berufen.

Justizminister Hanegbi wollte zu dem Vorwurf von Netanjahus Anwalt gestern nicht Stellung nehmen. „Ich habe schon alles der Polizei gesagt“, erklärte er.

Hanegbi war ebenso wie Netanjahu von der Polizei verhört worden. Medienberichten zufolge könnte der Regierungschef in den kommenden Tagen erneut vernommen werden. Die Zeitung Haaretz, der anscheinend genauere Aufzeichnungen der Polizei vorliegen, meldete gestern, Netanjahu habe sich während seiner Vernehmung am vergangenen Dienstag entgegen früheren Darstellungen nicht kooperativ gezeigt. Vielmehr habe er „die Untersuchung zu behindern versucht“. „Er kooperierte nicht wie erforderlich, sondern machte Schwierigkeiten“, schrieb das Blatt. Die Untersuchungsgruppe der Polizei überlege nun, Netanjahu ein zweites Mal „intensiv“ und „ohne Kompromisse in der Art und Weise zu vernehmen, in der alle Verdächtigen in Kriminalfällen vernommen werden“. Es sei nicht ausgeschlossen, daß eine Anklageschrift gegen Netanjahu vorgelegt wird.

Die Opposition und mehrere Regierungsmitglieder hatten Neuwahlen gefordert, falls Netanjahu direkt in die Affäre verwickelt sein sollte. In israelischen Medien wurde Netanjahus Vorwurf gegen Hanegbi gestern als Beginn ernster Auseinandersetzungen in der Regierung interpretiert. Die Zeitung Jedioth Achronoth schrieb, es sei „höchst unwahrscheinlich, daß Hanegbi Selbstmord begeht, um den Premier zu retten“.

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