Bittere Rechnung für Niedersachsen

Shell und Exxon bekommen vom Land Niedersachsen 221 Millionen Mark zuviel gezahlter Abgaben für die Erdgasförderung zurück. Weitere 1,6 Milliarden sollen folgen  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Ein Rechtsstreit mit den Konzernen Shell und Exxon um Erdgasförderabgaben in Höhe von 1,8 Milliarden Mark kommt das Land Niedersachsen teuer zu stehen. Das Verwaltungsgericht Hannover verurteilte das Land gestern zur Rückzahlung von 221 Millionen Mark an Förderzinsen, die es 1980 und 1981 zu Unrecht bei der Shell/Exxon-Tochter „Brigitta Erdgas und Erdöl GmbH“ (BEB) erhoben hatte.

Eine Sprecherin des Verwaltungsgerichts nannte das Urteil gestern „richtungweisend“ auch für eine zweite Klage der BEB, über die die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover Mitte März entscheiden will. Mit der zweiten Klage will die BEB die Erstattung von weiteren 1,6 Milliarden an Förderabgaben erreichen, die Niedersachsen von 1982 bis 1988 für angeblich deutsches Erdgas unter dem Wattenmeer kassiert hatte. In Wahrheit war das geförderte Gas aber niederländisches gewesen, und die Niederlande wollen dafür auch Förderabgaben sehen.

Der seit langem schwelende Streit um die Förderzinsmilliarden geht auf einen Fehler bei der Berechnung eines deutsch-niederländischen Erdgasvorkommens an der Emsmündung zurück. Das Vorkommen im Feld Groningen, das laut Ems-Dollart-Vertrag je zur Hälfte den Niederlanden und der Bunderepublik gehört, war im Jahre 1981 auf 128 Milliarden Kubikmeter geschätzt worden.

Erst im Jahre 1988 stellte sich bei einer neuen Berechnung heraus, daß dort nur knapp 80 Millionen Kubikmeter Erdgas zu gewinnen waren. Von dem gemeinsam auf niederländischem Gebiet geförderten deutsch-niederländischen Erdgas hatte die BEB bis dahin allerdings bereits knapp 60 Milliarden Kubikmeter bezogen und für dieses angebliche deutsche Gas an Niedersachsen Förderabgaben entrichtet.

Unter dem Strich waren damit 20 Milliarden Kubikmeter Gas, auf die eigentlich in den Niederlanden Angaben zu zahlen waren, fälschlicherweise in die Bundesrepublik gepumpt worden. Auf die ihm zustehenden Förderabgaben von knapp 3 Milliarden Gulden wollte der niederländische Staat allerdings nicht verzichten. Die BEB müßte damit die Abgaben doppelt zahlen.

Möglicherweise war die Fehlberechnung des Erdgasvorkommens in den frühen achtziger Jahren kein Zufall: Exxon und Shell hatten auf deutsches Gas wesentlich weniger Förderabgaben zu entrichten.

Erst im Sommer letzten Jahres stellte dann ein internationales Schiedsgericht in Paris fest, daß es sich um 20 Milliarden Kubikmeter niederländisches Gas handelte. An diese Schiedsgerichtsentscheidung schloß sich das Verwaltungsgericht Hannover an. Auf die 221 Millionen Mark soll Niedersachsen nun auch noch für die Jahre ab 1992 je 4 Prozent Zinsen zahlen. Das niedersächsische Wirtschaftministerium hatte bisher stets versichert, daß es von den strittigen Förderzinsmilliarden, „keine müde Mark“ zurückerstatten werde.