Monster als Freunde der Künstler

■ Melancholie oder Sozial-Voyeurismus: Eine Ausstellung mit „Young British Art“ im Westwerk

Autos explodieren, Häuser stürzen ein, Bäume werden zertreten: Ein riesiges Monster latscht tumb durch eine Stadt. Flugzeuge greifen an, Feuerbälle rasen durch Straßenschluchten, schließlich wird das Monster besiegt. Logisch, daß es auch in diesem King-Kong-Video eine Modellandschaft ist, weniger üblich, daß die Katastrophenszenen schlicht aus im TV ausgestrahlten Filmen hereingeschnitten sind, verblüffend aber: das Monster ist ein ganz normaler Polizist.

„How to Kill a Cop“ von John Beagles ist der witzigste Beitrag in der Ausstellung von acht jungen britischen FotokünstlerInnen im Westwerk. YBA – Young British Art ist seit einigen Jahren ein richtiger Renner im Kunstbetrieb. Auch in dieser Ausstellung zeigt sich wieder eines der Markenzeichen dieser schnellen, leichtproduzierten Kunst: eine Exhibition des Privaten mit kokettem Ekelreiz. Das fängt schon mal an mit der im Raum verteilten Hundescheiße und endet mit den Bildern von Würstchen, die wer sich wo reinsteckt.

Was ist los mit einer Kultur, deren Kunst den Alltag mit seinem Überdruß und seinen kleinen Freuden so überdeutlich ausreizt? „England is collapsing“, sagt David Burrows und erklärt, daß in dieser zerbrochenen Gesellschaft die Monster schon überall sind. Er selbst porträtiert Serienkiller: Aus gebrauchten Kaugummis formt er kleine Kopfskulpturen, die dann abfotografiert werden. Die Killer sind durchgekaute Produkte einer mörderisch deformierten Gesellschaft. Aber auch wenn in einem anderen Video Wesen mit Schaltern auf der Stirn und seltsamen Nasen herumlaufen: Es sind keine Außerirdischen. Monster sind sie vor allem, weil sie nicht arbeiten, Dope rauchen, Marx lesen, Kunst und anderen Unfug treiben. Und so verstandene Monster sind dann Freunde der Künstler.

„Wir haben nicht viel Zeit für Professionalität, wenn es nicht mal Geld einbringt“, mault die Gruppe FCKD-UP und beschreibt die Haltung einer Künstlergeneration, der das wirkliche Leben – so es denn manchmal klappt – wichtiger ist, als die falschen Ansprüche eines überzüchteten Kunstbetriebes der Gesellschaftsschicht, die durch Sozial- und Arbeitsplatzabbau immer reicher wird. Dumm nur, daß mit solcher Lower-class-Bohéme meist der Sozial-Voyeurismus erst recht bedient wird. Da scheint der private Kontext plötzlich wenig geeignet, Zusammenhänge darzustellen. Doch YBA ist weder so soziologisch gründlich, noch so formal belanglos, wie die Kritik sie hier gerne rezipiert.

Verarschung wird der Kunst ohnehin zu oft vorgeworfen, warum nicht zurückarschen? Deborah Holland ursupiert die Machogeste des Zeigens des blanken Hintern und stellt sich so in Vorstadt-Umgebungen dar, die man hier vielleicht als Arsch der Welt bezeichnen würde. Provozieren wird das höchstens ihre Eltern. Denn letztlich sind diese Künstler weniger krude, als sie sich geben.

Manchmal blitzen Momente von Aberwitz und Melancholie auf. Im Englischen Slang bezeichnet „anorak“ einen bestimmte Sorte von Looser. Und so taucht der Anorak-Typ in einigen Videos auf: Im „Kochschule“ betitelten Film versucht er einsam und in absoluter Inkompetenz Grill-Sandwiches aus Junk-Food zuzubereiten und eine 99-Pence-Pizza genießbar zu machen. In einem anderen Beitrag hat Graham Ramsey einen Anorak zu einem kleinen Roboter ausgebaut. Der fährt nun mit hochgeschlagener, Kunstpelz gefütterter Kaputze und gänzlich leerem Gesicht desorientiert durch einen Galerieraum und über Flure, bis er umfällt: Das Scheitern dieser sinnlosen Maschine ist ergreifender als alle übrige Tristesse aus Britannien.

Hajo Schiff Westwerk, Admiralitätstr. 74, tägl. 15-18 Uhr, bis 3. März