Permanent Maulig Sein Von Carola Rönneburg

Eine klare Februarnacht. Der Vollmond beleuchtet die Straßen. Plötzlich löst sich ein Schatten aus dem Dunkel. Es ist ein Mann. Ein verzweifelter Mann auf der Flucht. „Komm zurück, Memme, und kämpfe!“ röhrt eine Stimme dem Gehetzten hinterher. „Stell dich!“ Die Szene ist vor allem so furchterregend, weil die Stimme mir gehört: Es ist PMS-Tag.

Was das Prämenstruelle Syndrom eigentlich ist und warum es nicht längst verboten wurde, weiß niemand so genau. In den einfachen Lexika für den Hausgebrauch ist das PMS nicht einmal erwähnt – obwohl es dort hingehört und zwischen die Begriffe „Praline“ und „Prämie“ auch sehr gut passen würde. Einige meiner Gewährsfrauen lindern die Auswirkungen des PMS nämlich mit Schokolade, die sie durchaus nicht nur sich selbst, sondern auch dem gebeutelten Partner zukommen lassen. Das ist sehr vernünftig, wird Nervennahrung doch wirklich gebraucht, wenn das PMS hinterrücks zuschlägt. Frau G. zum Beispiel, eine allgemein als sanftmütig und freundlich bekannte Person, wird unter PMS-Einfluß zum Tier. Im letzten Monat berichtete sie mir entsetzt am Telefon, sie habe am Vorabend zur nächstbesten Waffe gegriffen und eine Carrera-Bahn zerstört. „Blinder Haß“ sei in ihr hochgestiegen, insbesondere auf Carrera-Bahnen. „Das mit dem Dosenöffner“ wäre allerdings reiner Zufall gewesen. „Na ja, kann vorkommen“, sagte sie und verabschiedete sich: „Bis die Tage.“

Die PMS-Feldforschung stuft solche Fälle als „typisch“ ein. Der unvermittelte Aggressionsschub, ausgelöst durch eine satte Überdosis an unnützen Hormonen, kommt aus heiterem Himmel daher und kann nicht gestoppt werden. Ich weiß das, denn ich habe mich einem Selbstversuch mit Johanniskrautöl unterzogen: Der Geschmack dieses angeblichen Wundermittels erinnert so herzlich wenig an Multisanostol, daß bei dieser Gelegenheit mehr als nur eine Carrera-Bahn dran glauben mußte.

Wären Startzeit und Auswirkungen des PMS voraussagbar, könnte besonders der einen Hälfte der Menschheit ein großer Dienst erwiesen werden. Aber leider verhält sich das PMS wie ein Erdbeben, das heißt, manchmal bleibt es einfach weg, obwohl sich sein Opfer mit drei Schachteln Ferrero-Rocher gewappnet hat. Und ein anderes Mal, wenn das Opfer in weiser Voraussicht den Herrn seines Herzens gar nicht erst empfangen hat, um tapfer alleine mit der Sache fertig zu werden – dann ändert das PMS seine Taktik und verwandelt sein Opfer in eine Waschläppin. Selbst eine flauschige Marienkäferwärmflasche und ein Buch mit Happy-End-Garantie können die Tränen nicht aufhalten, die nun aus geringstem Anlaß gleich eimerweise fließen. Ein Fleck auf dem Hemd ist tragisch; der Anblick welker Blumen löst Weltuntergangsstimmung aus. Ablenkungsmänover schlagen fehl. Als sich jüngst das PMS bei mir eingeschlichen hatte, hörte ich gerade ein DeutschlandRadio-Feature zum Thema „20 Jahre Gorleben“. Schlimmer als je zuvor kam es über mich: Schon beim Stichwort „Bürgerinitiative“ brach ich schluchzend in meiner Küche zusammen.

Das PMS, eine der größten Hürden auf dem Weg zur Gleichberechtigung, muß abgeschafft werden. Ich jedenfalls würde mich lieber jeden Tag noch mehr rasieren.