Das Portrait
: Lieber elektrisch statt eklektisch

■ Tony Williams

„Ich fühle mich wie ein ewiger Schüler“, sagte Tony Williams einmal, und dieses Verständnis des Jungseins spielte in seinem Leben wohl bis zuletzt eine entscheidende Rolle. Bereits mit 17 Jahren holte Altmeister Miles Davis den Jazzschlagzeuger in seine Band – eigentlich zu jung, um sich in diesem Alter in rauchigen Jazzschuppen aufhalten zu dürfen. Damit Williams dennoch seinen Job an den Trommeln machen konnte, klebte er sich kurzerhand einen Bart an – den Hütern der US-amerikanischen Jugendschutzbestimmungen fiel er jedenfalls nicht auf. Wesentlich mehr Notiz nahm allerdings das Publikum von ihm: Sein frisches, präzises Spiel ließ den am 12. Dezember 1945 in Chicago geborenen Williams neue Maßstäbe setzen. Nach zahlreichen Klassikern mit Miles Davis nahm er 1969 dessen „In a silent way“ auf, was gemeinhin als die erste Jazzrock-Platte gilt.

Doch länger als sechs Jahre hielt es Williams nicht bei seinem Entdecker aus. Kurz nach dem Ausstieg bei Davis gründete er seine eigene Band: bei Lifetime fand er mit Larry Young an der Orgel und John McLaughlin an der Gitarre adäquate Partner, um der Fusion zwischen Jazz und Rock weitere Wege zu bahnen.

Williams Alter war sicherlich ein Grund dafür, daß er in der Konzeption seiner Musik den Job des Elektrikers dem des Eklektikers vorzog. Ab den achtziger Jahren wandte sich Williams verstärkt der Komposition zu. So mündete die Zusammenarbeit mit dem Kronos Quartet 1990 „in die größte Nacht meiner Karriere“, wie Williams sagt.

Dennoch verzichtete Williams ungern auf den Nimbus, den er sich als Davis- Drummer erspielt hatte. Aufnahmen mit dem schwedischen Bassisten Jonas „Elegant Punk“ Hellborg stellten ihn in eine Reihe mit trommelnden Veteranen wie Ginger Baker (Cream) oder Michael Shrive (Santana) – beide ebenfalls gern von Hellborg frequentiert. Und auch von einer Schlagzeugfirma ließ sich Williams gern als Werbeträger einspannen.

Großes Aufsehen erregte Williams noch einmal 1992 mit einer Neuauflage des zweiten Miles-Davis-Quintetts: mit der Band, in der er 30 Jahre zuvor seine Sporen verdiente und deren Boß kurz zuvor verstorben war. Tony Williams starb am Sonntag im kalifornischen Daly City nach einer Gallensteinoperation – 51 Jahre jung. Per Brodersen