Wie der Senf auf der Boulette

■ Die Infobox am Potsdamer Platz rechnet bis zum 31. 12. 2000 mit fünf Millionen Besuchern. Ob der Publikumsmagnet an anderer Stelle erhalten bleibt, ist ungewiß

Sie ist nicht unbedingt schön. Sie wirkt ein bißchen klobig auf ihren langen dünnen Stelzen. Trotzdem gehört die Infobox am Potsdamer Platz mittlerweile zu Berlin wie der Senf auf die Boulette. Die Besuchszahlen sprechen für sich: Seit Eröffnung des knallroten Containers im Oktober 1995 haben sich Tag für Tag 4.400 Besucher über die Milliardenprojekte der Investoren in der Mitte der Stadt informiert, sich per Computer in virtuelle Hochhauspläne und Verkehrsprojekte eingeklickt. Nach einem halben Jahr war bereits ein Rekord von einer halben Million Besucher erreicht, nach zwölf Monaten waren es 1,7 Millionen. Die Betreiber hoffen, bis zum 31.12. 2000 die Fünfmillionengrenze erreicht zu haben.

Als nun am Dienstag die auch nüchtern schwer auszusprechende Schnapszahl 2.222.222 erreicht war, spendierten die Betreiber der Infobox einen Präsentkorb und einen Hubschrauberrundflug für die Besucherin mit dieser Nummer. Um dieses „Tagesthema“ entsprechend zu würdigen, hatte man Ulrich Wickert als Gastredner geladen. „Die Informationen in der Box führen sicherlich dazu“, sagte der Moderator, „Ängste bei denjenigen abzubauen“, die von der Notwendigkeit „so vieler Steinklötze oder Tunnel“ nicht so recht überzeugt seien. Bevor er zum Thema „Metropolen“ referierte, äußerte Wickert die Hoffnung, daß „der schöne Container“ auch nach Beendigung der Bauarbeiten am 31.12. 2000 eine Daseinsberechtigung finden werde.

„Der Glaube versetzt Berge“, hat jemand treffend ins Besucherbuch der Infobox geschrieben. Daß Wickert mit seinem Wunsch gar nicht so falsch lag, bestätigt die stellvertretende Leiterin der Infobox, Andrea Rothe: „Andere Nutzungskonzepte sind durchaus vorstellbar.“ Nicht zuletzt wegen dem großen Erfolg denke man darüber nach, den zehn Millionen Mark teuren Container nach Fertigstellung des Potsdamer Platzes an anderer Stelle aufzubauen. Doch derzeit lägen noch „keine ausgefeilten Konzepte“ vor. Andrea Rothe verriet nur soviel, daß es zur Jahrtausendwende „eine sehr große Silvesterveranstaltung“ geben werde. Ein Konzept dafür werde noch dieses Jahr erarbeitet. „Berlin war und ist verdammt, zu werden, aber nicht zu sein“, steht wiederum treffend im Besucherbuch. Barbara Bollwahn