Hungerstreik für letzte Arbeitsplätze

■ Seit über einer Woche hungert ein Teil der Belegschaft des Treptower Batteriewerks Belfa/Batropa, um Sanierungsgelder von der Treuhand zu erzwingen. Die Arbeiter hoffen, den drohenden Konkurs abzuwend

Ihr Hungerstreik dauert schon acht Tage: „Sie sind aber noch gut drauf“, meint der nicht mithungernde Betriebsratsvorsitzende Hajo Kiel. Die Verzweiflungsaktion begann am vergangenen Mittwoch: zunächst mit einem Protest vor der Treuhandnachfolgerin BvS am Alexanderplatz, wo die Beschäftigten eine „Belfa-Litfaßsäule“ aufstellten. Am darauffolgenden Tag traten erst neun, dann zwölf Belfa-Mitarbeiter in einen Hungerstreik, um die Öffentlichkeit auf den drohenden Verlust der verbliebenen 43 Arbeitsplätze im Treptower Batteriewerk hinzuweisen.

Wenn nicht schnell ein Teil der fünf Millionen Mark Verluste, die bei Belfa aufgelaufen sind, durch eine „Liquiditätshilfe“ ausgeglichen wird, muß der Fabrikbesitzer Klaus Boeckler ein Rechtsanwalt aus München, Konkurs anmelden. Drei BvS-Gutachter fällten dazu ein „Negativurteil“, zwei andere Wirtschaftsprüfungen – eine im Auftrag der Banken, eine andere im Auftrag von Boeckler – kamen jedoch zu dem Urteil „sanierungsfähig“.

Der Unternehmer selbst argumentiert: Als er 1993 den Betrieb für eine Mark übernahm – mit 83 von zuletzt 137 Mitarbeitern –, sei ihm von der BvS versichert worden, drei Belfa-Produktionsstrecken ließen sich ohne Probleme auf quecksilberfreie Batterien „in Varta-Qualität“ umstellen. Dem war jedoch nicht so: Belfa produziert heute nur noch eine alkalische Batterie, der Rest des Sortiments wird in Osteuropa dazugekauft. Boeckler investierte bis heute zwölf Millionen Mark, außerdem bekam er eine Forschungsförderung von 60.000 Mark und erwarb das 2,8 Hektar große Werksgelände an der Spree.

Die drei Westmanager, die er aus München holte, haben inzwischen das sinkende Schiff wieder verlassen. Geschäftsführer ist jetzt erneut Lutz Krämer, der bis zur Privatisierung Betriebsleiter war.

Während die IG Metall bei der BvS darauf drängt, drei Millionen Mark für Belfa locker zu machen, bemüht sich der Köpenicker SPD- Abgeordnete Siegfried Scheffler, über seine Bonner „Ost-Initiative“ Druck auf den Bundesfinanzminister auszuüben. Beim Berliner Wirtschaftssenator macht man eine Bürgschaft von einem erneuten finanziellen Engagement des Unternehmers abhängig.

Von den Hungerstreikenden meint einer: „Es ist schon paradox, daß ich hier zusammen mit dem Unternehmer kämpfe, aber ich tue es auch, um an meine 15.000 Mark heranzukommen, die er mir, aber auch anderen von uns noch an Gehältern schuldet.“ Paradox ist auch die Beteiligung des PDS-Bundestagsabgeordneten Hanns-Peter Hartmann am Hungerstreik: Er war von der Wende bis 1993 Betriebsratsvorsitzender bei Belfa und hatte damals den Betrieb gerettet. Damals initiierte er den Hungerstreik, samt einer Protestproduktion gegen die Treuhand, die das 1992 stillgelegte Werk – Varta zuliebe – abwickeln wollte. Der neue Eigentümer dankte es ihm indes nicht: Der an sich unkündbare Betriebsratsvorsitzende wurde noch in der Nacht der Vertragsunterzeichnung entlassen. Die Treuhand gab Boeckler dafür noch extra 150.000 Mark, die dieser dann vor dem Arbeitsgericht an Hartmann zahlen mußte.

Dem arbeitslosen Stanzer bot anschließend die PDS einen Listenplatz für den Bundestag an. Am vergangenen Montag erfuhr Hartmann von dem erneuten Hungerstreik seiner ehemaligen Belfa- Kollegen, und bereits in der Nacht – nach einem Votum des fünfköpfigen Betriebsrates – legte er sich zu ihnen auf die Campingliegen. Zuvor war es dort zu Auseinandersetzungen gekommen: Einige fühlten sich von der Geschäftsleitung mißbraucht und „wie Bauern hin- und hergeschoben“, andere wollten die Einigkeit mit dem Unternehmer nicht aufs Spiel setzen. Dennoch erhofften sich alle von Hartmanns Mittun eine Stärkung ihrer Position nach innen, aber auch nach außen – im Hinblick auf die öffentliche Resonanz.

Die Geschäftsleitung möchte zwar auch den Druck auf die BvS verstärken, aber nicht wirklich proletarisch-solidarisch und ohne die PDS: Sie gibt quasi Gas und bremst zugleich. Bis zur Privatisierung war Hartmann stets „Motor“ der Kämpfe bei Belfa gewesen, das hat man dort nicht vergessen, diesmal muß er jedoch einen „Eiertanz“ machen, um die prekäre Allianz zwischen Geschäftsleitung, Betriebsrat und Belegschaft nicht allzusehr durcheinanderzubringen. Ihr Kampf geht weiter. Auch wenn sie dabei immer weniger werden. Helmut Höge