"Denen fehlt einfach der Humor"

■ Was läuft schief mit p.c.? Stacy Title, Regisseurin des Films "Last Supper - Die Henkersmahlzeit", über den starken Messianismus in der amerikanischen Politik und die Humorlosigkeit der Liberalen

taz: Ist „The Last Supper“ ein Plädoyer für die Meinungsfreiheit?

Stacy Title: Ich glaube an die Redefreiheit, keine Frage. Aber das ist nicht die Grundaussage des Films. Die wichtigste Aussage ist nicht, ob die Linken oder die Konservativen gut oder schlecht sind, sondern daß in Amerika politische Selbstgerechtigkeit ein Problem ist. Die Studenten werden zu dem, was sie ursprünglich hassen, sie werden fast zu Faschisten.

Es gibt einen starken Messianismus in der amerikanischen Politik, weil religiöse Führer zu sehr mit der Politik verbunden sind. Aber ich wollte mich über alle lustig machen, denn wer keinen Humor hat, ist nicht mehr menschlich. Komischerweise mochten in Amerika eher Konservative den Film, die hatten mehr Humor als die Liberalen.

Mißbrauchen nicht gerade TV- Hetzer wie Rush Limbaugh, der als Vorbild für Norman Arbuthnot diente, diese Redefreiheit?

Ich hasse Rush Limbaugh, er ist ekelhaft, ein Lügner. Und er ist definitiv die Grundlage für die Figur Norman. Ich glaube schon, daß solche Leute sehr gefährlich sind. Trotzdem sollten solche Leute gehört werden, aber es sollte einem dabei klar sein, daß sie lügen. Schlußendlich muß man zuhören, um zu verstehen.

Wie wichtig waren die aktuellen Auseinandersetzungen um political correctness?

Als ich studierte, haben wir gegen Südafrika und die CIA protestiert, aber political correctness gab es damals noch nicht. Das kam erst so in den letzten fünf Jahren. Und ich glaube, denen fehlt einfach der Humor. Außerdem scheint es vor allem ein linguistisches Problem zu sein: Man darf nicht mehr über einen orientalischen Teppich reden, ein Behinderter ist „physisch herausgefordert“. Das ist einfach dämlich, und es wird zum Selbstläufer.

Aber haben nicht die Rechten p.c. zu einem Monster stilisiert, haben nicht erst sie behauptet, es gäbe einen linken Faschismus, der die Schlüsselpositionen in den Medien und im Staat besetzt, um so ihr eigenes Rollback zu tarnen?

In einem größeren Zusammenhang ist das sicher richtig. Die Rechten sind sowieso viel besser organisiert als die Liberalen. Man muß sich nur die Anti-Abtreibungs-Bewegung ansehen, die sind brillant organisiert. Wie eine Armee, und sie halten sich ja auch für God's Army.

Es mag schon sein, daß die Rechten die p.c.-Bewegung benutzt haben, die benutzen schließlich alles, was ihnen nützt. Andererseits ist p.c. übers Ziel hinausgeschossen. Die grundsätzliche Idee war, anderen gegenüber respektvoll zu sein, und das ist ja auch richtig. Aber auch die Linken in Amerika hören nicht mehr zu.

Hatten Sie konkrete Vorbilder für die konservativen Opfer?

Ja, der Sexist basiert ausdrücklich auf dem Mann einer Freundin. Er war ziemlich sauer, als er den Film sah. Das Vorbild für den Priester ist eine Ärztin aus einem Krankenhaus in New York, einem ziemlich gruseligen Ort voller Drogenabhängiger und Psychiatriepatienten. Die hat mir erzählt: „Wir hatten die Möglichkeit, die Gesellschaft zu säubern. Wir haben es verbockt, und mit Aids säubert Gott jetzt die Gesellschaft.“ Mir fiel die Kinnlade runter. Ich war nie sehr geduldig mit solchen Leuten, man würde sie wirklich gerne umbringen. Aber ich glaube, man ist besser dran, wenn man mit ihnen streitet.

Die Opfer sind alle recht einseitig, fast Prototypen. Es gibt den schwulenhassenden christlichen Fundamentalisten, den Faschisten, den Sexisten. Auf der anderen Seite mutiert gerade die empfindsame Sozialarbeiterin zur fanatischsten Killerin aus der Wohngemeinschaft. Warum diese Simplifizierungen?

Ich glaube, die fünf Mörder sind fast weniger komplex als die zu tötenden Gäste. Die Gäste existieren alle in Amerika, das sind keine Parodien, die sind authentische Charaktere. Sogar die Frau, die sich über Salingers „Fänger im Roggen“ aufregte. Ich habe mal eine Frau getroffen, die sich fürchterlich über dieses Buch aufgeregt hat. Dabei wird darin nicht ein einziges Mal geflucht.

Das Entscheidende ist jedoch, daß jeder neue Gast es weniger wert ist, getötet zu werden. Und am Schluß wird es einfach lächerlich – die letzten Opfer sind eigentlich gar nicht mehr so widerlich oder angsteinflößend. Und die Frage ist, ob die Welt wirklich besser dran wäre ohne sie.

War es sehr schwierig, die halbe Million Dollar aufzutreiben, die „Last Supper“ gekostet hat?

Nein, das ging ziemlich schnell. Man kann mit wenig Geld Filme machen. Dann ist das Essen vielleicht nicht so gut, und man hat keinen, der einem den Regenschirm hält. Aber es geht. Interview: Thomas Winkler