Putlitz–Pritzwalk: Abenteuer Privatbahn

■ Früher Beamter, jetzt Unternehmer: Thomas Becken fährt eigenen Schienenbus

Wie ein Abenteurer wirkt Thomas Becken nicht; er vermittelt eher einen bodenständigen Eindruck. Und doch hat der 29jährige sich auf ein Abenteuer eingelassen, als er im September vergangenen Jahres seine Beamtenlaufbahn bei der Bahn AG aufgab, um sein eigenes Bahnunternehmen zu gründen.

Putlitz–Pritzwalk: Diese beiden Kleinstädte im Nordwesten Brandenburgs verbindet Beckens Schienenbus täglich zwischen halb sechs Uhr morgens und neun Uhr abends. Seine Prignitzer Eisenbahn GmbH ist inzwischen zum Pilotprojekt avanciert. Denn Thomas Becken ist der erste Privatunternehmer, der in Brandenburg öffentlichen Nahverkehr auf der Schiene anbietet und abwickelt. Ganz auf eigene Verantwortung und Rechnung betreibt er die Strecke allerdings nicht. Zuständig für Fahrweg und Fahrplan ist bis auf weiteres die Bahn AG; Thomas Becken befährt die 17,1 Kilometer lange Strecke als Subunternehmer.

Es geht familiär bei der Prignitzer Eisenbahn zu. Putlitz hat um die 2.000, Pritzwalk etwa 11.300 Einwohner; dazwischen hält der vierzig Jahre alte Schienenbus in fünf kleinen Dörfern. Die Fahrgäste, die in Laase oder Kuhbier zusteigen, werden hier ganz persönlich begrüßt. Thomas Becken oder einer seiner drei Mitarbeiter fungieren nicht nur als Lokführer; sie sind Fahrkartenverkäufer, Putzkraft und Tankwart in einer Person. Im Moment befördern sie pro Tag durchschnittlich 120 Menschen zwischen Putlitz und Pritzwalk – zuwenig, um die Verbindung auf Dauer zu erhalten. „Mit dem Geld, das derzeit für diese Strecke eingesetzt wird, könnte man jeden einzelnen Fahrgast per Taxi transportieren“, spitzt es Hans Leister zu, der bei der Bahn AG für den Regionalverkehr in Brandenburg zuständig ist. Dennoch hat auch das einstige Bundesunternehmen die Teilprivatisierung der Strecke unterstützt.

Seit Anfang 1996 sind die Länder für die Bestellung und Finanzierung des öffentlichen Schienennahverkehrs zuständig. Das Land Brandenburg verhandelt mittlerweile mit dem zuständigen Landkreis Prignitz über die Verbindung Putlitz–Pritzwalk mit dem Ziel, auch die Strecke selbst aus der Zuständigkeit der Bahn AG herauszulösen. „Sicher könnte der Kreis die Strecke günstiger sanieren und in Ordnung halten als die Bahn“, sagt Alexander Steudner, der zuständige Referent im Landesverkehrsministerium. Saniert werden muß die Strecke auf jeden Fall. Ein Teil der Betonschwellen aus DDR-Fertigung hat inzwischen Risse. Doch die 17 Millionen Mark, die die Bahn AG für die Grundsanierung veranschlagt, soll der Landkreis unterbieten.

Geringer werden müssen aus Sicht der Landesregierung auch die Subventionen für den Streckenbetrieb. Derzeit wird jeder gefahrene Bahnkilometer mit 17,17 Mark bezuschußt – ganz gleich, ob ein moderner Regionalexpreß oder ein Schienenbus ihn fährt. Die Fahrgäste bezahlen fünf Mark für die einfache Fahrt zwischen den beiden Städten. Thomas Becken kann den Preis nicht senken, der ist ihm von der Bahn AG vorgegeben. Um so mehr ärgert er sich über die Verantwortlichen im Landkreis Prignitz, die neben der Bahn auch noch einen Bus zwischen Putlitz und Pritzwalk fahren lassen. Und der befördert seine Fahrgäste für 3,20 Mark von Stadt zu Stadt, fährt allerdings andere Dörfer an als der Schienenbus. Die Kreisverwaltung will sowohl Bahn- als auch Busverbindung erhalten.

Thomas Becken bleibt bei all dem Hickhack vorsichtig optimistisch; demnächst will er sich weitere Fahrzeuge zulegen. Und er verhandelt mit der Bahn AG über zwei weitere Verbindungen: Wenn alles glattläuft, könnten ab 1. Juni auf den Strecken Neustadt/Dosse– Kyritz sowie Neustadt/Dosse– Rathenow seine rot-blauen Schienenbusse fahren. Gudrun Giese