Puristisches im Bilder-Reservoire

■ Die Ausstellung „Rote Wolke, Blaues Pferd“ im Museum für Völkerkunde

Getrockneter Salbei riecht etwas streng. Eher seifig, weniger nach Prärie und Lagerfeuerromantik. Die blaßgrünen Büschel führen in die Ausstellung Rote Wolke, Blaues Pferd ein. Dieses zweite Highlight des indianischen Jahres wird heute im Museum für Völkerkunde eröffnet. Die Besucher nehmen den Duft von South Dakota auf, dann müssen sie sich auf ihre Augen verlassen. Im Gegensatz zu der sinnenfroh konzipierten ersten Ausstellung Indianer der Plains und Prärien im Erdgeschoß zeigt sich ein Stockwerk höher Rote Wolke, Blaues Pferd puristisch – Fotos, hauptsächlich in Schwarz-Weiß, und knappe Texttafeln. Das macht Sinn: Die Bilder sind gespickt mit Details, und die geometrisch stilisierten Räume sollen zu größtmöglicher Konzentration animieren.

Die Fotos zeigen Szenen aus dem Leben der Oglala-Sioux, aufgenommen in den Jahren 1909, 1910 und 1995. Der Stamm wurde von der US-Regierung 1888 in der „Pine Ridge Reservation“ einquartiert, einem kleinen Gebiet westlich des Missouri. Die Reservation hatte, so eine der Kernaussagen der Ausstellung, nicht ausschließlich negative Folgen für die Indianer. Ihre nomadische Lebensweise mußten sie aufgeben, aber als Landwirte, Cowboys und Entertainer in Wild-West-Shows boten sich ihnen neue Erwerbsquellen. Die Verantwortung der weißen Repressionspolitik wird nicht ausgeblendet. Die Bilder sollen aber belegen, daß für die Oglala nach Jahren von Hungersnöten das seßhafte Leben auch Chance war – vermutlich die einzige Möglichkeit, zu überleben. Umfangreich dokumentiert ist auch, wie schnell die weiße Kultur Platz in den Oglala-Traditionen fand. Schon 1909 trugen die meisten Reservat-Bewohner im Alltag europäische Kleidung. Die alten Trachten legten sie nur bei Festen an, etwa bei dem großen Schenkfest. Als Ersatz für den verbotenen heidnischen Sonnentanz veranstalteten die Oglala einmal im Jahr eine Feier, bei der arme Familien mit Kleidung, Schmuck und Lebensmitteln beschenkt wurden – ein sozial-religiöser Brauch, den die Missionare als ruinös brandmarkten.

Bei der Konzeption griff Dr. Wiebke Ahrndt auf zwei alte Hamburger Sammlungen und eine moderne Fotoserie zurück. Frederick Weygold und Johann Adrian Jacobsen bereisten das Reservat zu Anfang des Jahrhunderts – der erste im Auftrag des Völkerkunde-Museums, der zweite für Carl Hagenbeck. Jacobsen sollte eine Indianer-Truppe für eine Völkerschau anwerben. Daß die rassistische Attraktion noch in den dreißiger Jahren beliebt war, ist wenig bekannt. Umso größer das Erstaunen: Bernd Jonkmanns hatte 1995 in Pine Ridge Bildmaterial gesammelt und dabei Menschen abgelichtet, die 1930 als lebendes Anschauungsmaterial fungierten.

Daß die böse alte Zeit noch gar nicht so lange her ist, dieser Lerneffekt kann durchaus funktionieren. Doch warum hängt gleich neben der Völkerschau-Truppe eine Bildfolge zur Zubereitung von Hundesuppe? Wer eilig durchs Museum hastet, kann einen falschen Eindruck mitnehmen. Also Vorsicht – für Rote Wolke, Blaues Pferd sollte man sich viel Zeit nehmen.

Barbora Paluskova

Museum für Völkerkunde, bis zum 31. August