Zunftmäßig steinbruchartig

■ Das Literaturhaus stellte junge Autoren aus der Schweiz vor

Literatur lebt vom Nachwuchs des Neuen, und deshalb hat es sich das Literaturhaus zur Aufgabe gemacht, junge Autorengenerationen anderer Länder vorzustellen. Am Dienstag und Mittwoch lief in diesem Rahmen das literarische Nachkömmlings-Quartett der Schweiz auf.

Für Peter Weber, Urs Richle, Perikles Monioudis und Ruth Schweikert, die sich Anfang der 90er zur Literatenvereinigung NETZ zusammenschlossen, hat das spezifisch Schweizerische jedoch an Gestalt verloren. Die um sich greifende Globalisierung läßt die Schweiz zu einem Land unter anderen werden, das höchstens noch ein bißchen „zunftmäßiger“ (Peter Weber) ist.

Für die junge Autorengeneration bedeutet das zum einen den Wegfall der impliziten Verpflichtung, in die Fußstapfen der literarischen Überväter Frisch und Dürrenmatt zu treten. Andererseits besteht auch keine Möglichkeit mehr, deren Themenvorrat anzuzapfen, der sich aus dem Gefühl bedrückender Enge in einer abgeschieden-provinzlerischen Nation speiste. Neue, im wahrsten Sinne grenzüberschreitende Literatur ist gefragt.Die vorgetragenen Texte ließen recht unterschiedliche Lösungen dieser Problematik erkennen. Die Prosa Peter Webers, bekannt durch seinen Romanerstling Der Wettermacher, erscheint abstrakt-gedrechselt. Verstärkt durch einen Vortrag zwischen monotonem Abspulen und poetischen Pausen schraubte sie sich dem Zuhörer ins Ohr. Die zum Teil grelle Ironie des Verlesenen vermochte zudem zu amüsieren.

Urs Richle, ebenfalls bereits etablierter Neuling, las aus seinem neuen, kriminalesken Roman Der weiße Chauffeur. Die Geschichte eines Angeklagten, der behauptet, sein Mordopfer erfunden zu haben, barg ebenfalls Humoriges. Die eher solide Rezitation entsprach dabei durchaus der weniger formal als inhaltlich experimentellen Prosa Richles. „Steinbruchartig“ bezeichnete Weber des Kollegen Werk denn auch in einem anschließend erzwungenen „Gespräch“, das man sich ob der affektierten Krampfigkeit des durch den Abend führenden Joachim Helfer allerdings auch hätte sparen können.

Leider blieb dem – nebenbei ziemlich spärlich erschienenen – Publikum aber auch am folgenden Tag Helfers postmodernistisches Gefasel nicht erspart. Zudem stellte sich das zweite Duo der eidgenössischen Nachwuchsliteraten auch als ein wenig weniger prickelnd heraus. Perikles Monioudis las aus dem Manuskript seines neuen Romans Eis, in welchem der Abbau desselbigen eine detailliert-distanzierte Beschreibung erfährt. Und Ruth Schweikert offenbarte in eindringlich-eintönigem Vortrag, daß sie in ihrem neuen Erzählband Augen zu diverse Frauen- und Paar-Probleme durchaus scharf beobachtet.

So avancierte die anschließend-abschließende Diskussion wider Erwarten zum unterhaltungsmäßigen Höhepunkt, etwa als Perikles Monioudis auf eine von Helfers eher hilflosen Fragen knapp gegenfragte: „Was willst Du wissen?“

Das Antreten des Schweizer Literatur-Jungnationalteams erbrachte insofern nicht nur die Erkenntnis, daß des Nachbarlandes literarische Zukunft als gesichert gelten darf, sondern auch die Hoffnung auf kompetente Leiter literarischer Lesungen. Christian Schuldt