Vom Parlament auf die Straße

■ Die Bündnisgrünen aktivieren ihr außerparlamentarisches Spielbein. Die Hälfte der Fraktion fährt zum Tag X ins Wendland. PDS-Abgeordnete fahren schon früher

Zu einem Betriebsausflug der etwas anderen Art wird am 4. März die bündnisgrüne Fraktion des Abgeordnetenhauses aufbrechen. Ziel ist das Wendland. Dort wollen sich die 15 Abgeordneten dem Castor-Transport in den Weg stellen. Der Brokdorf-erprobte Fraktionschef Wolfgang Wieland wird ebenso dabei sein wie Parteisprecher Christian Ströbele. Die umweltpolitischen Sprecher Judith Demba und Hartwig Berger fahren schon einen Tag früher, um vor Ort zu sein, wenn die sechs Castor- Behälter von der Schiene auf die Lastwagen verladen werden.

Wegen einer gerade auskurierten Grippe nicht mit von der Partie: Renate Künast, die in den 80er Jahren als Jurastudentin zeitweise das Gorlebener Hüttendorf bewohnte. „Die solarbetriebenen Duschen produzierten auch bei diesigem Wetter noch lauwarmes Wasser, gekocht wurde in großen Kesseln über offenem Feuer.“ Den Paß „Republik Freies Wendland" besitzt sie noch heute. Auch der ausländerpolitische Experte Ismail Kosan war bereits Ende der siebziger Jahre in Gorleben. „Ich wurde von revolutionären Gruppen sehr kritisiert, weil ich mich an ,Öko- Aktionen‘ beteiligte“, so Kosan. Er bleibt wegen einer Aktion gegen das Europäische Jahr des Rassismus in Berlin.

Auch Verkehrsexperte Michael Cramer läßt seinen Anti-AKW- Pullover diesmal eingemottet. Das betagte Stück, auf dem eine Anti- AKW-Sonne mit Faust prangt, strickte Cramer für die Großdemonstration in Bonn 1981. Später trug er den Pulli als Lehrer im Unterricht, als die Gerichte sich mit der Frage befaßten, ob Lehrer Anti-AKW-Plaketten tragen dürfen. „Gegen den Pullover hat nie jemand was gesagt“, erinnert sich Cramer. Das Plaketten-Verbot scheiterte vor Gericht.

Querstellen will sich dagegen der grüne Abgeordnete Uwe Dähn. Er engagierte sich schon in der DDR gegen Atomkraft. Nach der Katastrophe von Tschernobyl inszenierte der Regisseur in der Umweltbibliothek ein russisches Theaterstück über den Sarkophag über dem Unglücksreaktor.

Schon am 1. März fahren die PDS-Abgeordneten Jochen Quergässer und Freke Over nach Gorleben. Sie brechen zünftig mit Zelt und „warmem Schlafsack“ auf, und zwar ins „Familienwiderstandscamp“ bei Hitzacker. Für alle Fälle hinterlassen sie per Flugblatt ihre Handynummern. SPD- Umweltsenator Strieder bezeichnete den bündnisgrünen Aktionismus gestern als „Nostalgie“. „Was soll ich denn in Gorleben?“ fragte er. Er habe in Berlin genug Gelegenheit, sich querzustellen. Dorothee Winden