Der rote Passat in der Nacht

Eine ganz normale Jugend, ganz normal erzählt: „Ich gelobe“, ein Film des österreichischen Regisseurs Wolfgang Murnberger über das Dasein im Bundesheer, im fsk am Oranienplatz  ■ Von Ania Mauruschat

1980, am östlichsten Rand der westlichen Welt: Der 20jährige Berger wird beim Bundesheer im Burgenland zum Gruppenkommandanten gedrillt. Im Ernstfall würde er das Vaterland allerdings nie mit der Waffe verteidigen. Berger beschäftigt vielmehr die Sehnsucht nach der großen Liebe und die Sache mit dem Erwachsenwerden. Der Atompilz ist ihm egal. Sicherheitshalber kreuzt Berger darum bei der Vereidigung auch die Finger.

„Ich gelobe“ von dem Österreicher Wolfgang Murnberger ist ein stark autobiographischer Film, weshalb Berger auch keinen Vornamen hat, braucht man sich doch nur „Wolfgang Murn-“ davor zu denken. Erträglich machen Berger das Bundesheer allein die Momente auf dem kaputten Kasernenklo („A Quadratmöter Freiheit“), in das er sich immer einschließt, um auf die Türe seine Träume und sexuellen Phantasien zu malen und die Anzahl der verbleibenden Tage bis zur Entlassung zu kritzeln: NL – 33 T. Neue Lage – 33 Tage. Auch die Hoffnung hat ihr Kürzel. Besonders spannend ist die Geschichte nicht, aber genau darin liegt auch die Stärke von „Ich gelobe“.

Murnberger gelingt es, die Fülle seiner Bilder wie Mosaiksteinchen zu einem facettenreichen Stück über eine stinknormale Jugend zu verdichten. In erzählerischen Schleifen dreht Murnberger den Handlungsstrang in die Vergangenheit, um dann über den Anfangszeitpunkt hinaus bis zum Ende der Dienstzeit zu erzählen. Spielerisch verquickt er dabei Traum, Kasernentrott, die Wochenenden daheim, Kuscheleien mit Mädels und Peepshow-Besuche mit den Kameraden.

Die sterbende Oma, morgendliche Samenergüsse, Hühnerschlachtungen und der Gott aus Bergers Kindheit – alles hat seinen Platz bei Murnberger, dem zum Erzählen jedes filmische Mittel recht ist. Sacht gleitet er von Farbfilm in Schwarzweiß oder fantasyartige Transparenz und wieder zurück in die bunte Realität, durch die manchmal auch der Ritter aus Bergers Träumen reitet. Am stärksten ist „Ich gelobe“, wenn ganz auf Sprache verzichtet wird: dreimal hintereinander flitzt der rote Passat in einer Nacht über die Landstraßen, um dazwischen die gelangweilten Kumpels an Discobars beim Schlürfen ihrer Cola zu zeigen.

Bei Sonnenschein, im Nebel und nachts – immer wieder sieht man die Soldaten am gleichen Hochstand vorbeimaschieren, bevor sie merken, daß sie sich verlaufen haben. Besonders die Einstellung, in der die Kamera von oben auf die sich immer wirrer verknäulende Faschings-Polonaise hält, bleibt in Erinnerung: So chaotisch rumort es in Bergers Unterleib.

Genauso ist aber auch Murnbergers Film: Alles greift ineinander, nichts löst sich richtig auf, und trotzdem macht das Ende die Sache rund. Daß in „Ich gelobe“ tiefstes Österreicherisch gesprochen wird, dürfte für Berliner Ohren ein kleines Problem werden. Aber das bisserl Anstrengung beim Übersetzen, es lohnt sich.

„Ich gelobe“. Buch und Regie: Wolfgang Murnberger. Mit Christoph Dostal, Andreas Lust, Andreas Simma, Marcus Carney u.a. Österreich 1994, 99 min. fsk am Oranienplatz, täglich 20 Uhr