Generäle gegen Erbakan

■ Heute berät der Nationale Sicherheitsrat der Türkei über bedrohliche „fundamentalistische Strömungen“

Istanbul (taz) – In der Türkei liegen die Nerven blank. Heute trifft sich erstmals seit der Amtsübernahme der islamistisch geführten Regierung des Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan der Nationale Sicherheitsrat – ein Schattenkabinett, in dem die Militärs den Ton angeben. In den Medien und im Parlament wird mittlerweile offen über die Gefahr eines Militärputsches diskutiert, und das Zerwürfnis zwischen Militärs und Islamisten beschäftigt auch den Staatspräsidenten: Überraschend traf sich Süleyman Demirel gestern mit Erbakan zu einem Gespräch. Anlaß dürfte die Meldung der Tageszeitungen Hürriyet und Sabah gewesen sein, wonach Demirel den islamistischen Regierungschef schriftlich verwarnt habe: „Es herrscht eine allgemeine Überzeugung im Land, daß Sie den Weg der laizistischen und demokratischen Republik verlassen haben – und ich teile diese Ansicht“, wurde Demirels Schreiben zitiert.

Zwar dementierten beide Seiten gestern die Existenz des Briefes. Doch tatsächlich hat sich Demirel in den vergangenen Wochen fast täglich kritisch über Erbakan geäußert und versichert, er werde alle Mittel einsetzen, um den Laizismus, die verfassungsrechtlich verbriefte Trennung von Staat und Religion, zu wahren. „Fundamentalistische Strömungen“, die die Republik „bedrohen“, stehen denn auch heute auf der Tagesordnung des Nationalen Sicherheitsrates. Ömer Erzeren

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