Erotikfreie Affaire

■ Mozarts Singspiel „Zaide“an der Hochschule für Musik und Theater

Warum Mozart sein 1779 komponiertes Singspiel Zaide nicht vollendet hat, ist bis heute ungeklärt. Ouvertüre und Schluß, alle Dialogtexte und selbst der Titel fehlten, als Constanze Mozart das Opernfragment im Nachlaß ihres Mannes entdeckte. Seitdem haben sich zahlreiche Musiker und Dichter an einer Vervollständigung oder textlichen Neufassung der Oper versucht. Die 1995 komponierte Fassung des Italieners Luciano Berio erlebte am Donnerstag ihre deutsche Erstaufführung an der Hochschule für Musik und Theater.

Wie ein unruhiger Klangteppich umspielen Berios musikalische Impressionen die melodienreichen Arien. Zunächst sperrig und ungewohnt, fügen sich zeitgenössische und klassische Musik zu einem erstaunlich harmonischen Ganzen – wenn auch ein wenig mehr Emphase beim Gemeinschaftsorchester aus Hamburger Studenten und Mitgliedern des litauischen Streicherensembles den Esprit unterstrichen hätte.

Was die Aufführung zum Schlafmittel werden läßt, ist die wenig bewegte und nichts bewegende Inszenierung. Wenn schon die Handlung der Oper nicht gerade vor aktueller Brisanz strotzt – Haremsdame verliebt sich in Zwangsarbeiter, wird auf der Flucht mit ihm entdeckt und zusammen mit ihrem Liebhaber vom Sultan zum Tode verurteilt –, so hätte eine Konzentration auf die Gefühlswelt dem Musikspiel Leben einhauchen können. Doch kein Fünkchen Erotik knistert zwischen der Haremsdame Zaide (Barbara Friebel) und ihrem Liebhaber Gomatz (Kim Schrader), die Eifersuchtsbekundungen des Sultans erschöpfen sich in ständigem An-den-Kragen-Packen, Knuffen und Wegstoßen der männlichen Widersacher.

Zwar versucht der Regisseur Jörg Behr, die musikalische Zwitterfassung aus Alt und Neu auch auf die dramaturgische Ebene zu übertragen, doch die Einfälle bleiben brav und kraftlos. Wir alle sind Gefangene der Liebe – dieses Motto schwebt bedeutungsschwer über der Inszenierung. Um die Sträflingsmentalität zu unterstreichen, müssen Liebende und Betrogener sogar mit einem blauen Streifen im Gesicht herumlaufen. Gelungen dagegen sind die Gesangspartien (vor allem Barbara Friebel) und Susanna Boehms variables Bühnenbild, das sich mit der Zuspitzung der Handlung immer mehr verengt und farblich bis zu einem giftigen Gelb verändert.

Warum allerdings der Sultan das einzige Requisit, einen Stuhl, mit der Sitzfläche auf seinem Kopf balanciert, bleibt im Dunkeln. Und warum das Opernfragment überhaupt aus der Mottenkiste gezogen wurde, auch diese Frage wird hier nicht beantwortet. Vielleicht hatte Mozart gute Gründe, sein Werk unvollendet zu lassen.

Kira Moll

Nächste Aufführungen: 1., 3., 5., 7., 8. und 11. März, Hochschule für Musik und Darstellende Kunst,Harvesterhuder Weg 12