Die Spaltung der Arbeiterklasse in Neukölln

■ Die SPD-Basis im Arbeiterbezirk Neukölln probt die Annäherung an die PDS. Walter Momper und Lothar Bisky diskutierten, die Basis wollte Taten

Die PDS ringt um Anerkennung durch die anderen Parteien links der CDU, die SPD ringt um die Anerkennung ihrer bürgerlichen Wählerschaft und hält sich deshalb die PDS, soweit es geht, vom Hals.

Daß die sozialdemokratische Parteistrategie nicht unbedingt der Politik der Basis entsprechen muß, zeigte sich am Donnerstag abend in Neukölln. In der verrauchten Hinterstube bei „Schultheiss“ im Gemeindezentrum Gropiusstadt trafen der ehemalige Regierende Bürgermeister unter Rot-Grün, Walter Momper, und der Bundesvorsitzende der PDS, Lothar Bisky, aufeinander.

Eingeladen hatte der Ortsverein Gropiusstadt der SPD. Zwischen Bierdunst und Zigarettenqualm sollte über „Vergangenheit und Zukunft“ von SPD und PDS diskutiert werden.

„Mein Ziel ist, daß die Spaltung der Arbeiterklasse aufgehoben werden muß“, erklärte der Sozialdemokrat Momper zum Beginn. Er bekannte sich zum Dialog mit der PDS: „Ich halte es für bescheuert, über andere zu reden, ohne mit ihnen zu reden“, sagte er.

Walter Momper rief außerdem zur Solidarität aller Demokraten anläßlich des Überfalls eines Rechtsextremisten auf den Marzahner Buchhändler vor der PDS- Zentrale auf.

Trotzdem entlarvte Momper die PDS als „strukturkonservative Partei“, mit deren Hilfe er nicht regieren wolle. Er wolle auch die PDS-Wähler für die SPD gewinnen. Mompers Variante der Gemeinsamkeit der Arbeiterklasse.

Lothar Bisky wehrte vereinzelte Anwürfe zu seiner DDR-Vergangenheit aus dem Publikum entwaffnend ab, indem er schlicht Fehler in seinem früheren Denken zugab, konzentrierte sich sonst auf die vorwärtsweisenden Beschlüsse des Schweriner Parteitags und trat als Vertreter der ostdeutschen Interessen auf, die nicht den westdeutschen Anliegen gleichzusetzen seien.

Aber der solidarische Umgang der beiden Profipolitiker miteinander war dem versammelten Ortsverbandspublikum zu dünn. Die Fragen, die die Besucher drängten, waren pragmatischer: Warum, wenn Rot-Grün mit der Unterstützung der PDS regieren könne, die Sozaidemokratie es dann „verdammt noch mal nicht tue“, fragte ein ergrauter Mitfünfziger.

„Was soll ich denn meiner Frau erzählen? Die sitzt zu Hause und wartet auf Nachrichten“, drängte ein anderer auf Klartext. Eine klare Antwort bekamen sie von Walter Momper auf diese Fragen nicht.

Gut zwei Drittel der versammelten Neuköllner Sozialdemokratie wollten es mit den eloquenten Erklärungen ihres Walter Mompers nicht auf sich beruhen lassen, denn, so ein überzeugter Sozialdemokrat: „Es gibt nichts schlimmeres als eine Regierung aus CDU/CSU und FDP.“ Vor die Wahl zwischen der Bonner Koalition und einer rot-grünen Minderheitsregierung mit Duldung der PDS gestellt, so schien ein Großteil der Versammlung zu denken, erschiene die PDS-Duldung als das kleinere Übel. Barbara Junge