Wand und Boden
: Warum ist Ersatzflüssigkeit niemals rot?

■ Kunst in Berlin jetzt: Christina Dimitriadis, Polly Apfelbaum, Mitsuko Miwa, Bildhauer-Fotos

Zunächst blickt man ein wenig verwirrt rundum in der Galerie Eigen + Art. Die vier großformatigen Fotografien von Christina Dimitriadis zeigen eine ätherisch anmutende Leere, die scheinbar gut in das mitunter egozentrisch driftende Programm der Galerie paßt. Bei Dimitriadis sieht man nichts als weiße Räume mit weißen Türen, die zugleich geschlossen und halb geöffnet, in der überlangen Belichtungszeit wiederum weiß schimmernd verschwimmen. Eine formale Übung als Metapher fürs eigene Leben: die minimal-artige Abstraktion, das grobkörnige Schweben und schließlich die Auslöschung des Gegenstandes – Türen der Innerlichkeit.

Tatsächlich operiert die 1967 in Thessaloniki geborene Fotografin betont konzeptuell und doch an einer biographischen Spur entlang. Es geht um die Illusion dessen, was gerne als Körper und Identität bezeichnet wird. Im hinteren Raum der Galerie hängen faszinierende „Private Space“- Selbstbildnisse, auf denen man Dimitriadis nur noch schemenhaft erkennt – die Künstlerin hatte ihre Sofas oder Betten während der langen Endlosbelichtung verlassen. Auf den neuen „Open/ Closed Doors“ verwächst das Spiel mit Abwesenheit/Anwesenheit zu einem Phantombild des Privaten, das sich auch auf die Raumsituation überträgt. Andererseits bleibt die Übersetzung von Innen/Außen in offene und geschlossene Türen kunstgeschichtlich abgesichert – immerhin ist von Duchamp ebenfalls ein Foto überliefert, das dieses ungeklärte Verhältnis dokumentiert.

Bis 15.3., Di–Fr 14–19 Uhr, Sa 11–17 Uhr, Auguststraße 26

Die Arbeiten von Polly Apfelbaum, die der NGBK als Gast in den Räumen von Art Acker zeigt, widmen sich dem Umgang mit Malerei nach ihrem vielbeschworenen Ende. Natürlich ist die 1955 geborene New Yorkerin dem Thema gegenüber entsprechend mißtrauisch und operiert eher von den Rändern aus. Die acht schmalen Streifen aus modisch buntem Stretchsamt liegen glattgebügelt auf dem Fußboden, „sie beanspruchen für sich, stärker als Bilder an der Wand, den Objektcharakter und können als Skulpturen, Assemblagen oder Installationen gelesen werden“, schreibt jedenfalls der NGBK im Presse-Info.

Außer diesem Kunstgriff bei der Präsentation unterscheiden sich die Stoff-Gemälde nicht wirklich von der Tradition. Apfelbaum wählt für ihre monochromen Bildträger konventionelle Farben, und auch die kleinen, aufgesetzten schwarzen Flecken ergeben Tropfenmuster, die an zermatschte Kleintiere oder Menstruationsblut erinnern. Pollocks Drippings, feministisch umgedeutet: der Geniestreich des abstrakten Expressionismus als sexuell aufgeladene Handarbeit. „Die Farbe begründet den Wert der Kunst in der körperlichen, sozialen Beziehung zwischen dem Betrachter und dem Kunstwerk und nicht im Schattenreich immaterieller Ideen. Denkt darüber nach!“ warnt Apfelbaum in einem Begleittext. Nun steht man vor dem selben Rätsel wie bei der Always- Ultra-Reklame: Warum ist die Ersatzflüssigkeit immer blau, grün oder eben schwarz, aber niemals rot? Was in der Werbung als Trash daherkommt, wird im Kunstkontext ironisch gebrochen. Beide Strategien sind gleichermaßen verführerisch.

Bis 23.3., Di–So 12–18 Uhr, Ackerstraße 18

Wenn man zu nah herantritt an die Bilder von Mitsuko Miwa, dann knirscht es. Häufchenweise liegt feiner gelber Sand unterhalb der acht leuchtenden Streifengemälde im Studio III des Künstlerhaus Bethanien, und vor einem überdimensionalen Torso hat sich anthrazitfarbener Sand weitläufig ausgebreitet. Diese Überreste sind für die japanische Künstlerin mehr als nur Material, das bei der Produktion abfällt – Miwa malt mit dem Sand.

Das Verfahren ist sehr mühevoll und auch ein wenig wunderlich: Zunächst werden Leinentücher auf dem Boden ausgebreitet und mit Sand bestreut; danach wischt Miwa mit den Füßen Spuren hinein, so daß eine Art Negativ abgedeckt wird. Später übersprüht sie das Ganze mit Farbe und hängt das Gemisch an die Wand. Voilà, der aufgetrocknete Sand fällt herunter und gibt, ähnlich der Fotografie, das Bild frei.

Doch für die 1958 in Nagoya geborene Miwa geht es weniger um den technischen Prozeß der Entwicklung, sie versteht ihre Arbeit fast archaisch als eine „Ausgrabung“, bei der Körpereinsatz und Gestaltung nicht voneinander zu trennen sind – also wieder Pollock. Aber auch Oleg Kulicks mit der Nase auf die Leinwand gepickte Farbspritzer haben es Miwa angetan. Den wunderbar glatten Torso allerdings hat sie im Pergamonmuseum gefunden.

„Kalte Füße“, bis 16.3., Mi–So 14–19 Uhr

Die 27 Bildhauer nebenan im Studio II beschäftigen sich mit dem gleichen Problem wie Mitsuko Miwa: Wie können Körper auf eine Bildfläche übertragen werden? Doch „Fishing for shapes?“ ist nicht vor allem eine Versammlung fotografierter Skulpturenprojekte, zumal ein Großteil der Beteiligten ohnehin nicht figurativ, sondern minimal und ortsspezifisch arbeitet.

Hermann Pitz etwa nutzt seine eineinhalb Quadratmeter Ausstellungswand, um noch einmal die Geschichte von „Büro-Berlin“ unter besonderer Berücksichtigung der Fotografie nachzuerzählen: Von der Dokumentation früher Aktionen bis zur Analyse der CNN-Fernsehbilder aus dem Golfkrieg. Der Brite Richard Wentworth zeigt zwei Aufnahmen als tagebuchartige Sammlung kleiner Beobachtungen: In Istanbul und Paris gleichen sich dann Bretterzaunpfade. Norbert Rademacher fotografierte Wolken, Wellen und Gardinen, Matthew McCaslin inszenierte ein Kind zwischen seinen vertrackten Licht-Apparaturen.

Leider lösen sich nur ein paar wenige Bildhauer vom täglichen Umgang mit Objekten. Die vier Diagucker von Olaf Probst sind zwar hübsch auf einem Sockel ausgestreut, zeigen aber auch bloß Szenen aus dem Atelier. Bei Axel Lieber hingegen wird die Skulptur zu einer Hülle, in der der Körper steckt: Sein tätowierter Diamant auf dem Oberarm gehört in eine Reihe mit merkwürdigen bauchnabelfreien Hemden oder einem Babyanzug als Handschuh, die mit Roman Signers Foto-Comedy auf dem Zeltplatz korrespondiert; und Hans Hemmert hat sich in einem knalliggelben Luftballon fotografieren lassen, der vollständig den Raum ausfüllt. Seine Form leuchtet.

Bis 9.3., Mi–So 14–19 Uhr, Mariannenplatz 2 Harald Fricke