Village Voice
: Der Punk der späten Jahre

■ Sehr schön, sehr daneben: EC8OR und Golden Showers

Waren das noch Zeiten, als man die Kölner Musikzeitschrift Spex für die Bibel des Pop hielt! Jeden letzten Freitag im Monat konnte man in trauter Runde die neuesten Bands und Popstyles droppen und sich überaus informiert und avanciert fühlen. Wer nicht mitziehen wollte, rümpfte beleidigt die Nase und war jenseits eines geheimnisvollen Wissens. Mittlerweile dienen den Kölner Sounds und Musik oft als Aufhänger, um eine Menge Theorie zu transportieren. Und Bands, über die man sich früher seitenweise ausgelassen hätte, werden kurz und bündig vorn im Heft abgehandelt.

Spex will und muß mehr als nur bedienen.“ So erklärte man einmal im Heim des Popdiskurs diese Entwicklung. Ganz anders sehen das Gina und Patrick von EC8OR. Die beiden in Berlin ansässigen Jungspunde sind Schützlinge von Alex Empire und haben vor einem Jahr auf dessen Label ihr Debüt veröffentlicht. In ihren Songs, die schrottig auf einem Amiga-500- Computer produziert waren, steckte viel Kraft und Wut: Die Großraumdiscoschickeria – „money monkeys, ugly bugs, false playing frogs and cocain ducks“ – hatte man sich zu Lieblingsfeinden erkoren.

Nun haben EC8OR also Spex im Visier und ihr zweites Album kurzerhand „Spex is a fat bitch“ betitelt. Warum, erläutern sie im dazugehörigen Song: „It's just searching for the new hype, but reading is like smokin' Marlboro Light (wahlweise auch Michael Stipe), they try to set their trends with boring student bands.“ Abgesehen davon, daß das vielleicht der Trend der Achtziger war, kann man nur spekulieren, was die beiden da reitet. Bornierte Ignoranz in Köln, was EC8OR anbetrifft? Oder geht es um eine überspitzt eingeforderte Wachablösung – Gina und Patrick sind um die Zwanzig –, darum, wer in den späten Neunzigern die Definitionsmacht über den „wahren“ Underground und Punk besitzt? „The writers eating cat's food, supporting industries, who try to kill our politics and say we are fanatics.“

Griffig ist es allemal, so griffig, daß sicher auch Spex-LeserInnen aufmerken, sich das Album kaufen und dann beleidigt am Ohrläppchen jucken. Denn alles andere als anheimelnd und trendy klingen auch die anderen Songs auf diesem Album. Bollerig, holpernd und mit Verstärkergrundrauschen spritzen EC8OR ihren jugendlichen Ver- und Überdruß durch die Gegend. Wen sie auch nicht mögen: die „Notorious 30's“, die sich hinter einem Easy- Listening-Wall verbergen. Den Schutz gibt es bei ihnen hundertprozentig nicht. Das Album kann man übrigens bei WOM kaufen und kostet dort günstige 12,99.

„Lukewarm“, das erste Machwerk der Golden Showers, gibt es dort sicher nicht zu kaufen; ein Sechs-Track-Album auf einem Mini-Silberling, dessen Cover ein „daumenlutschendes Biedermeiermädchen“ ziert, „das ihren schweren Rock hochhebt und wie eine Fontäne pinkelt“ – so diktierte es die begeisterte Françoise Cactus der Zitty.

Was naheliegt, war doch Razi Isnogood, der Sänger der Golden Showers, früher Bassist bei Stereo Total. Dort mußte sich Razi allerdings zu sehr mühen mit seinem Baßspiel, weswegen er sich auf seine anderen Fähigkeiten besann: nämlich live nur mit einem Höschen bekleidet als Sänger aufzutreten, kongenial begleitet von einer Band (in der Hermann, ehemals Lassie Singers, die Gitarre spielt) und einem Girl, das sich einen halben Meter über der Bühne luftig bekleidet an einem Seil entlanghangelt.

Der Sound der Golden Showers ist der Punk der frühen Jahre, Fünfziger- und Sechziger- Garagen-Underground; ihr Geist und ihr Auftreten würden einer Betty Page genausogut gefallen wie den Dwarves; und ihr Glamour hat etwas von einer Achtziger-Band wie Celebrity Skin. Sehr schön und sehr daneben das alles. Vielleicht schneiden sich EC8OR von den Golden Showers etwas in die Rippen – dann würden wir sie endlich richtig liebhaben können. Gerrit Bartels

EC8OR: „Spex is a fat bitch“ (DHR/Intercord)

Golden Showers: „Lukewarm“ (Human Wreckords)