Keine Chance für Mikrowellen

Berliner Chefköche und ihre Traumküchen: Die meisten legen keinen Wert auf High-Tech, sondern schwören auf Gasherd und Ofen. Einblicke zwischen Gasherd und Gastronorm  ■ Von Kathi Seefeld

Eintopf für Zweivierzig, „Forelle oder Eisbein kosten schon mal sechs Mark siebzig“. Peter Brose, der Chefkoch der Berliner Volksbühne, schwört auf Hausmannskost: Schweinebraten mit Klößen, Gulaschsuppe, Rollmöpse. Achtzig bis hundert Essen gehen täglich über seinen Tresen. Hier speisen nicht nur die Theatermacher. Die Kantine in „Castorfs offenem Haus“ gehört Brose seit 1990. „Sein“ ist sie eigentlich schon sehr viel länger. 1962 betrat er als Koch zum erstenmal die im Hinterhof und Souterrain gelegene Bulettenschmiede des Kulturtempels. Er verköstigte Ulbricht und Honecker, schuf kalte Büffets für internationale Theatergrößen und sieht das Ganze heute maximal mit einer Spur von Wehmut. Dem „Rumgestocher der Sicherheitsleute“ in seinen Speisen trauert er genausowenig hinterher wie den Problemen bei der Beschaffung einzelner Zutaten für die Volksbühnen-Speisung, wenn er zum Beispiel einmal die Woche den Fleischer bestach. Für 'ne Flasche Schnaps gab's dann ungarische Salami oder saftige Filets.

Heute steht er von sechs Uhr in der Frühe oft bis abends um sieben hinter Töpfen und Pfannen. Bei Premierenfeiern wird es manchmal auch morgens um drei. An der Ausstattung der Volksbühnen- Küche hat sich nicht viel verändert. Und das zumindest bedauert der Chefkoch. Mitte der achtziger Jahre erhielt das „allseits geschätzte Haus“, so Brose, durch „Beziehungen zum damaligen Magistrat Ost-Berlins“ zwar eine neue Ausstattung, einen sogenannten Asco-Block, „ganz prima Edelstahl, leicht zu reinigen und gebaut für Jahrhunderte“. Doch auf der Höhe der Zeit kocht der Meister damit längst schon nicht mehr. „Die ersten drei Jahre als Kapitalist waren ganz schön happig“, sagt er. Geld für Investitionen, „die die eine oder andere Arbeit erleichtern könnten“, war außer für eine Kaffee- und eine neue Spülmaschine nicht da. Andernorts hätte der Senat was gegeben. „Ich glaube aber, ich habe es irgendwie versäumt, mich rechtzeitig zu kümmern.“ Zuviel mußte man als Neubundesbürger auf die Reihe kriegen, meint Brose.

Daß High-Tech-Küchen in seiner Branche eher selten sind, dürfte ihn trösten. Kenneth Gjellud und Volker Voss, Meisterköche im bekanntesten vegetarischen Restaurant Berlins, dem „Thürnagel“, schwören auf Gasherd und Ofen, und die Gästen haben damit nicht das geringste Problem. Bis zu 160 Portionen am Wochenende, an den anderen Tagen etwas weniger, werden hier verzehrt. In der leicht betagten Küche hat jedes Messer seinen Platz. „Edelstahlarbeitsflächen, Dunstabzugshaube, was will man mehr“, fragt Volker Voss. Hypermoderne Konvektionsöfen, bei denen per Computer optimal gebraten oder gebacken werden kann, seien für kleine Restaurant einerseits viel zu teuer, „genauso wie diese neue, unerschöpflich große Serie an Pfannen, Töpfen und Behältern, genannt Gastronorm“, andererseits, meint Voss, schmeckten die Speisen irgendwie nicht so lecker. Er selbst kenne darüber hinaus keinen Profikoch, der zum Beispiel gerne an Elektroöfen brutzelt. Und der aus Norwegen stammende Gjellud, der bereits einige Berliner Lokalitäten aus Küchenperspektive kennengelernt hat, weiß, daß auch im „Bamberger Reiter“, der Stadt nobelstem Restaurant, alles „sehr klassisch“ zubereitet wird.

Dem Edelstahlrausch ganz hingeben kann sich dagegen Bernhard Weise. In der Küche des Berliner Abgeordnetenhauses finden sich Gastronorm, Streamer, Kippfannen und Konvektomat. „Vieles von dem war schon da, als die Steakhouse-Kette Buffalo die Kantine im vorigen Jahr übernahm“, meint der Chefkoch. Weise – „ich komme aus dem Feinschmeckerbereich“ – denkt, daß er dennoch zeigen kann, was er drauf hat. „Es gibt Köche, die kann man an die tollsten Geräte stellen, aber die werden es nie lernen. Aus denen werden dann maximal ,Techniker des Garverfahrens‘.“ 500 Mahlzeiten am Tag wollen im Abgeordnetenhaus gut und günstig zubereitet sein. Doch „schmeiß hier, schmeiß da, schmeiß dort“, so Weise, werde es mit ihm nicht geben. Und die Mikrowelle ist auch im Abgeordnetenhaus verpönt. Um das Preisgefüge nicht zu sprengen, arbeite er zwar gelegentlich mit Tiefkühlkost und vorgefertigten Kartoffeln, „und natürlich gibt es auch hier im Haus Leute, die für sechs Mark Nouvelle cuisine erwarten“, doch im großen und ganzen könne sich sein Kantinenessen sehen lassen. Von „Traumküche“ wolle Bernhard Weise trotz moderner Technik nicht unbedingt sprechen. Etwas anspruchsvoller findet er da schon die Einrichtung, die die Steakhouse-Kette dieser Tage am Mariendorfer Damm in ihrem bekanntesten Haus wiedereröffnet hat. „Offline-Küche“, schwärmt Bernhard Weise. „Jeder Gast kann beim Zubereiten zugucken.“

Küchenvertreter hätten bei Berlins berühmten Köchen übrigens allesamt keine Chance. Ob Brose, Voss oder Weise – zu Hause kochen sie alle gern, aber „unter primitivsten Bedingungen“. Kenneth Gjellud hat sich lediglich den „Luxus“ eines Reistopfes gegönnt. Einbauküchen seien Schnickschnack, heißt es unisono von der Chefköche-Front. Oftmals würden nur Leute viel Geld dafür ausgeben, die eigentlich kaum kochen, statt dessen lieber ins „Thürnagel“ gehen. Wobei, „die“ Traumküche gäbe es für ihn schon, meint Volker Voss. „Eine eigene, so wie der Horst, ein ehemaliger Kollege von uns. Der hat sich mit dem ,Lilienthal‘ gerade selbständig gemacht.“