Eine Adresse ist ein gutes Geschäft

■ Dubioses Institut sammelt Infos mit unlauteren Methoden

115 Fragen hat die Firma „INFAS Lifestyle AG“ an die Berliner. Beispielsweise: Welche Automarke fahren Sie? Welche Kaffeemarken kaufen Sie normalerweise? In welcher Höhe liegt ungefähr das Netto-Einkommen aller Haushaltsmitglieder? Der Fragebogen, bitte ausgefüllt und unterschrieben, sei umgehend zurückzuschicken.

„Das ist ein Hammer. Wir haben nichts mit der Firma zu tun“, wehrt sich Minno Smid, Geschäftsführer des Bonner Infas-Sozialforschungsinstitutes, gegen die unlauteren Methoden der baden-württembergischen Firma. Smid kündigt gerichtliche Schritte wegen Ruf- und Geschäftsschädigung an.

Bedenken meldet auch Hansjürgen Gartska, Berlins Datenschutzbeauftragter, an. „Es ist nicht auszuschließen, daß die Firma eine Briefkastenfirma ist.“ Unter der angegebenen Postfachadresse sei jedenfalls kein Firmeneintrag verzeichnet, eine Telefonnummer sei nicht herauszufinden. Jetzt ermitteln die Stuttgarter Datenschützer.

Seit Donnerstag flattern den Berlinern die Fragebögen der „INFAS Lifestyle AG“ ins Haus. „Wer ihn ausfüllt, seine Daten herausgibt und den Fragebogen unterschreibt, ist selber schuld“, sagt Hansjürgen Garstka. Hinter der Firma vermutet er einen gewieften Adreßhändler, der die Verbraucher-Adressen mit den detaillierten Angaben an Dritte gewinnträchtig weiterverkauft. Das System hat Methode: Verbraucher werden über Lebensgewohnheiten und Finanzlage ausgefragt; die gewonnenen Daten werden an Großunternehmen verscherbelt, die wiederum mit Hilfe der genauen Erkenntnisse Werbekampagnen durchführen. Die Berliner Verbraucherzentrale hat schon vor Wochen gewarnt: „Jeder, der einen Fragebogen ausfüllt, muß mit einem vor Werbesendungen überquellenden Briefkasten und Vertreterbesuchen rechnen.“

Anlaß der Warnung war „eine große Haushaltsumfrage“ der Calyx GmbH Köln (taz vom 5. Februar). Ein Faltblatt mit 91 Fragen sollten die Berliner ausfüllen, Fragen zur Shampoomarke und wieviel Flaschen Wermut sie trinken sollten beantwortet werden. Inzwischen hat die Calyx GmbH zugegeben, daß die „Adressen anderen Firmen zur Verwendung angeboten wurden“.

Hinter Calyx soll sich ein in Holland ansässiger und international tätiger Adreßhändler verstecken. Laut Minno Smid verbirgt sich hinter der „INFAS Lifestyle AG“ die Firma „Schober Direkt-Marketing“ und damit „einer der größten Adreßhändler in Deutschland“.

Die Bündnisgrünen haben angekündigt, im Abgeordnetenhaus die Problematik zur Sprache bringen zu wollen. Jens Rübsam