Digger im Cyberspace

■ "Bequem, schnell und preiswert" - so wirbt die Finanzindustrie für ihre Dienstleistungen im Internet. Wann macht Online-Banking Sinn?

Nach biederen Anfängen elektronischen Zahlungsverkehrs über BTX und Datex-J – jetzt T-Online – bietet fast jedes Geldinstitut inzwischen virtuelle, sprich schalterlose Geldgeschäfte. Neben den einfachen Kontostandsabfragen und Überweisungen treten vielfach erweiterte Internet-Präsenzen, die außer Werbung und Informationen teilweise schon echte Online-Transaktionen wie Wertpapierkäufe und -verkäufe bieten. Börseninformationen per Telefon und Fax lassen Träume von Echtzeittransaktionen eines professionellen Fondsmanagers beim Kunden entstehen. Doch von der Handyorder bis zu deren Ausführungen liegen viele Hindernisse – eine professionelle Anlageberatung kann sie nicht ersetzen. Nach der viel zitierten „Digger-Stimmung“ im Finanz-Cyberspace tritt Ernüchterung ein, da Abschlußquoten von 0,1 Prozent (1 Geschäftsabschluß pro 1.000 Clicks) die Euphorie auf Seiten der Anbieter dämpfen.

Historisch und technisch sind bekannte Telekom-Online-Angebote für elektronischen Zahlungsverkehr von den neuen Netzangeboten des freien Internet zu unterscheiden. Während den Angeboten auf Basis von T-Online eine größere Sicherheit zugesprochen wird, legt die neue Internet-Konkurrenz auf Anbieterseite Sicherheitslösungen für den Datenverkehr auf, die immer wieder von Hackern geknackt werden.

Egal, ob nun T-Online oder Internet die Netzanbindung zum Konto sein soll, immer ist neben PC, Modem oder ISDN-Karte auch Software nötig. Neben verschiedener, teils kostenloser Bankensoftware bieten sich beispielsweise „Money“ und „Quicken“ als preisgünstige Software für rund 100 Mark an.

Zum Start der elektronischen Kontoführung sind zusätzliche Anträge, allgemeine Geschäftsbedingungen und Verschlüsselungsschritte zu beachten. Wie bei der ec-Karte wird eine PIN (persönliche Identifikationsnummer) sowie eine Liste vieler TAN (Transaktionsnummer) für jede einzelne Überweisung vergeben. Gelegentlich werden auch separate Geheimnummern abgefragt.

Bedenkt man, daß erst rund 5 Prozent der Haushalte über ein Modem verfügen, wird das Potential deutlich, das die vorwiegend jungen Besserverdienenden für die Finanzwelt darstellen. Hat sich der Kunde erst vom Filialnetz seines Bankhauses gelöst, bieten sich eine Vielzahl verschiedener Discounter und Broker für Wertpapierinformationen und Transaktionen im In- und Ausland an.

In eine ökonomische Bedarfsanalyse „Schalter- versus Online- Banking“ sollten nicht nur die direkten Kosten einfließen. Mangelhafte technische Einrichtungen, Ausfälle und nicht jederzeit verfügbare Rechner können zu Lasten der Freizeit gehen, so daß eine Abwicklung von 5 bis 10 Überweisungen im Monat per Internet kaum gerechtfertigt scheint, sondern über die Filialbank unter Umständen besser erledigt werden kann. Hauptrisiken sind neben Verlust von PIN oder TAN die technische Aufrüstung neuer Verschlüsselungstechnologien, die Kunden überfordern und kriminelle Zugriffe herausfordern. Anzunehmen, es gäbe die umfassende Sicherheit, ist Illusion. Sicherheitsgarantien der Unternehmen sollte man sich schriftlich geben lassen. Michael Wagner

Der Autor ist Finanzberater des Büros W&WFB, Stubbener Weg 10, 28717 Bremen, Tel. 0421/6930224