Auf das Risiko kommt es an

■ Wer einen Versicherungsvertrag mit Selbstbeteiligung abschließt, kann sparen. Nach fünf Jahren sollte er sich aber rentiert haben. Für Versicherungen ist die Regulierung von Kleinstschäden sehr aufwendig

Rechnen, rechnen, rechnen. Alles andere nützt nichts. Im Dschungel der Versicherungstarife mit Selbstbeteiligung und ohne hilft nur die klassische Methode: Taschenrechner zücken, Angebote vergleichen. Wer Geld sparen und dennoch gut abgesichert sein will, muß dafür arbeiten.

„Immer dann, wenn die Beitragseinsparung in wenigen Jahren die Summe der Selbstbeteiligung übersteigt, lohnt es sich.“ Das ist einer der wenigen Anhaltspunkte in Sachen Selbstbeteiligung, die Klaus Albers, Versicherungsberater bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, formuliert. Maximal fünf Jahre sind sein Richtwert. Dann muß es sich rentiert haben, eine geringere Prämie bei der Versicherung mit der persönlichen Verpflichtung erkauft zu haben, kleinere Schäden selbst zu übernehmen. „Zehn Jahre sind zu lang. Eine Selbstbeteiligung über 300 Mark zum Beispiel muß nach drei Jahren wieder drin sein.“ Der Jahresbeitrag muß also jedes Jahr mindestens 100 Mark unter dem Prämiensatz liegen, der sonst ohne die auch „Selbstbehalt“ genannte Verpflichtung zu entrichten wäre, damit sich die Selbstbeteiligung lohnt.

Haftpflicht, Privathaftpflicht, Teil- und Vollkasko, Rechtsschutz, Hausrat und Wohngebäude oder private Krankenversicherung – von Versicherung zu Versicherung, von Tarif zu Tarif, von Paket zu Paket ist es überall ein wenig anders um die Selbstbeteiligung bestellt. Wo was wie angeboten wird – durch dieses Dickicht muß der Versicherungsnehmer selbst. Während Albers bei den klassischen Arten wie Teilkasko (300 Mark SB) und Vollkasko-Versicherungen (1.000 Mark SB) für Pkw dazu rät, eine Selbstbeteiligung abzuschließen, winkt er in anderen Bereichen ab: „Bei den Privathaftpflichtversicherungen würde ich das zum Beispiel nicht machen. Die Einsparung ist zu gering.“ 65 Mark im Jahr koste beim preiswertesten Anbieter eine Familienhaftpflichtversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 500 Mark. 85,10 Mark betrage die Prämie bei einem vergleichbaren Unternehmen – allerdings ohne daß im Schadensfall etwas zugezahlt werden müßte. Damit würde es über 16 Jahre dauern, bis die in diesem Vergleich gesparten 30 Mark Prämienbeitrag das Risiko aufwiegen würden, alle Schäden bis 500 Mark selbst tragen zu müssen.

Unbestritten allerdings ist: Mit einer Selbstbeteiligung – die Beträge liegen meist zwischen 100 und 1.000 Mark — kann der Versicherte Geld sparen. Um bis zu 20 Prozent und mehr kann die Prämie verringert werden. „Es kommt vor allem darauf an, wie risikobereit man ist. Ob man sich gegen alles versichert oder nur gegen wirklich existenzbedrohende Fälle und dafür dann eine hohe Selbstbeteiligung vereinbart“, heißt es bei der Stiftung Warentest. Bei privaten Krankenversicherungen, so eine Empfehlung in der Märzausgabe der Zeitschrift Finanztest, solle auf jeden Fall eine Selbstbeteiligung vereinbart werden. Bereits 1995 untersuchte die Stiftung die Selbstbeteiligung bei anderen Versicherungsarten. Damals wurde empfohlen, außer bei der Haftpflicht- und der Hausratsversicherung den Selbstbehalt immer in Betracht zu ziehen. Am Rechnen komme aber niemand vorbei. „Vergleichen Sie die Prämien unternehmensübergreifend.“ Bei einigen Versicherern könne man sich günstig zu 100 Prozent oder mit sehr geringem Selbstbehalt absichern.

„Es ist eine Abwägungssache. Das muß jeder selbst durchrechnen“, sagt auch Wolfgang Heilmann, Pressesprecher bei der Allianz-Versicherung. Bei Kaskoversicherungen könne man bei der Allianz mit einer Selbstbeteiligung die Prämie um bis zu 20 Prozent reduzieren. Wenn man aber öfter Schäden habe, die ständig genau in der Höhe der ausgehandelten Selbstbeteiligung liegen, habe der Versicherte allerdings davon wenig. Dann sei das, was durch den niedrigen Beitrag gespart wurde, wieder weg. Dennoch geht Heilmann davon aus, daß „die Selbstbeteiligung bei den Versicherungen sich ausdehnen wird“. Noch wird nicht von jedem Unternehmen für jede Versicherungsart die Selbstbeteiligung angeboten. „Eine große Marktdurchdringung gibt es noch nicht. Viele Kunden wollen oft lieber komplett versichert sein“, so der Pressesprecher des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, Jörg Knospe. „Das ist im kommen“, ist sich Allianz-Mann Heilmann aber sicher. Der Versicherte könne den Selbstbehalt schließlich auch als regulatives Moment nutzen. „Beitragserhöhungen können so aufgefangen werden.“ Droht eine solche, könne die Selbstbeteiligung aufgestockt und damit die Prämienzahlung auf einem niedrigeren Level gehalten werden. „Das gilt vor allem, wenn Sie kein Streithansel sind, beim Rechtsschutz.“ Dort boten es, als die Gerichtskosten und Anwaltsgebühren vor einigen Jahren um fast 30 Prozent erhöht wurden, auch viele Unternehmen an. Nicht nur aus Kundenfreundlichkeit: Die Versicherungen hatten Angst, daß durch eine drastische Beitragserhöhung der Rechtsschutz für ihre Kunden uninteressant werden könnte. Im Durchschnitt 200 Mark beträgt nun die Selbstbeteiligung. Die HUK Coburg bieten einen Abschluß ohne Beteiligung gar nicht mehr an. „Um die Schmerzgrenze beim Beitrag nicht zu überschreiten“, so Stefan Eichhorn, Pressereferent bei der HUK.

Für Wolfgang Heilmann von der Allianz hat eine Selbstbeteiligung aber „auch einen gewissen erzieherischen Effekt, vor allem im Rechtsschutz“. Streitereien um Äpfel, die von des Nachbars Grundstück auf das eigene fallen, würden so vielleicht nicht gleich gerichtlich ausgetragen. Der Wunsch nach einer friedlicheren Welt, ist zwar vielleicht Vater des Gedankens. Handfeste wirtschaftliche Überlegungen spielen aber wohl die übergeordnete Rolle. Denn schließlich sparen so auch die Versicherungen: Nicht nur, daß sie den Schaden oder die Kosten nicht übernehmen müssen. „Kleinschäden zu regulieren, ist sehr aufwendig“, sagt Jörg Knospe vom Gesamtverband. Der Verwaltungsaufwand dafür sei extrem hoch, falle er weg, „ist das auch für das Prämiensystem besser“. Positiv ausgelegt: Die Beiträge steigen durch Selbstbeteiligungen generell auf niedrigerem Niveau. Eine Studie, inwieweit die Schadensmeldungen durch den Selbstbehalt zurückgegangen sind und damit eben auch die Prämien niedriger blieben, gibt es laut dem Gesamtverband-Pressesprecher allerdings nicht. Ralf Ansorge