100 Millionen für den Castor

■ Die gesamten Kosten für den Castor-Transport 1996 werden noch unter Verschluß gehalten, während die Kostenlawine mit dem Sechserzug seit gestern wieder rollt

Berlin (taz) – Ein „wildes Verwirrspiel“ betreibt zur Zeit Innenminister Manfred Kanther, meint die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Gila Altmann. Wenn es nämlich um die Kosten des Castor- Transports geht, mauert der akurate Minister und rückt die exakten Zahlen nicht heraus. Im vergangenen Jahr mußte das Land Niedersachsen allein 46,1 Millionen Mark für den Einzel-Castor-Transport an die Bundesländer überweisen, die Niedersachsen Polizisten und Bundesgrenzschützer geschickt hatten. Die Unterbringung der bundesweit eingezogenen Beamten hat rund 1,44 Millionen Mark gekostet. Niedersächsische Polizeibeamte sind in der Rechnung nicht enthalten. Ihre Arbeitszeit hat das niedersächsische Innenministerium als Überstunden verbucht. Damit wurde 1996 indirekt der niedersächsische Haushalt mit 252.763 Mehrarbeitsstunden belastet, wie aus der Antwort auf eine kleine Anfrage im niedersächsischen Landtag hervorgeht.

Die realen Kosten für den Einfach-Castor im Mai 1996 dürften sich jedoch auf das Doppelte belaufen. Wohlinformierte Kreise rechnen mit 70 bis 90 Millionen Mark, die Länder und der Bund aus den allgemeinen Steuereinnahmen für die Transporte der Atomindustrie aufgebracht haben. Nicht eingerechnet in die 46,1 Millionen Mark sind nämlich Kosten für Verfassungsschützer und andere Beamte, die direkt vom Bund bezahlt werden. Das Bundesland Hessen hat außerdem allein die Durchfahrt des Castors fünf Millionen Mark gekostet.

Dieses Jahr rechnet allein das niedersächsische Innenministerium mit „locker über 50 Millionen Mark“, wie ein Sprecher gestern sagte. Ein einfacher Polizeibeamter kostet zwischen 70 und 100 Mark in der Stunde. Im Wendland stehen allein 11.300 Polizeibeamte bereit. Von den 9.500 Bundesgrenzschützern, die den Castor- Sixpack entlang der Bahnstrecken bis nach Gorleben flankieren, wird eine bislang unbestimmte Zahl ins Wendland per Hubschrauber geflogen werden. Damit sind fast dreimal so viele Beamte in diesem Jahr mit Castor im Wendland beschäftigt. Die Kosten dürften somit die 100-Millionen-Mark-Marge überschreiten. Ulrike Fokken