Kriegsverbrecher vor Gericht

■ Bosnischer Serbe als Kriegsverbrecher in Düsseldorf angeklagt. Er soll Muslime brutal angegriffen haben

Düsseldorf (taz) – Angeklagt wegen schwerer Verbrechen im bosnischen Bürgerkrieg, steht seit gestern ein bosnischer Serbe vor dem Oberlandesgericht (OLG) in Düsseldorf vor Gericht. Dem 49jährigen wird von der Bundesanwaltschaft Völkermord in 14 Fällen sowie Mißhandlung und Vertreibung einer Vielzahl von Muslimen während des Bürgerkriegs in Bosnien vorgeworfen. Ein ähnlicher Fall wird seit Dienstag vor dem OLG in München verhandelt. Wie dort begann auch in Düsseldorf der Prozeß mit einem Streit um die Zuständigkeit des deutschen Gerichts.

Kaum, daß dem Angeklagten Nikola Jorgić die Handschellen abgenommen waren, verlangte sein Verteidiger Hans Grünbauer schon die Einstellung des Verfahrens wegen Unzuständigkeit des Gerichts. Grundlage für die Anklage bietet eine Vorschrift im deutschen Strafrecht, wonach bei international geschützen Rechtsgütern, etwa bei Völkermord, das sogenannte „Weltrechtsprinzip“ zur Anwendung kommt. Danach darf die deutsche Justiz auch dann tätig werden, wenn Ausländer Verbrechen im Ausland an Ausländern begangen haben. Während die Verteidigung das Den Haager UN-Sondergericht als allein zuständig bezeichnete, ist für die Bundesanwaltschaft das „Weltrechtsprinzip“ prinzipiell immer dann anwendbar, wenn „ein Inlandsbezug“ besteht. Den sehen die Ankläger dadurch erfüllt, daß der Angeklagte seit 1969 fast durchgehend in Deutschland lebte.

Dieser Argumenation folgte das Gericht und lehnte den Einstellungsantrag ab. Zwischen Mai und September 1992 soll Jorgić als Anführer einer Gruppe serbischer Tschetniks in der Region Doboj bei einer Vielzahl von grausamen Verbrechen an Muslimen beteiligt gewesen sein. Glaubt man der Anklage, die eine Reihe von Zeugen aufzubieten hat, dann ging der Angeklagte, der Mitglied der von Radovan Karadžić geführten Serbischen Demokratischen Partei war, bei seinen Taten äußerst brutal vor. So soll er in eine hilflose Menschenmenge gefeuert und muslimische Gefangene mit Holzbohlen und Gewehrkolben fast totgeschlagen haben.

Zu den Anklagevorwürfen selbst will sich Jorgić, der seit dem 15. Dezember 1995 in Untersuchungshaft sitzt, nicht äußern. In einer politischen Erklärung bezeichnete er die Anklage insgesamt als „völlig unzutreffend“. Auf seine politische Erklärung, in der er vom „dreimaligen Völkermord an Serben allein in diesem Jahrhundert“ gesprochen hatte, reagierten einige im Saal mit leisen Bravorufen. Auf der Verteidigerbank saß neben dem deutschen Pflichtverteidiger der serbische Anwalt Igor Pantelić aus Belgrad. Zu dessen Mandanten gehört auch Serbenführer Karadžić. Walter Jakobs