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Zeit der Zumutung

■ Wider die Verrannung der Sinne

Da willst du samstags um viertel nach vier, zu Halbzeitzeiten, dir als Zwischendroge die Zwischenstände im Radio erhören. Und was gibt es nach der aufgemotzt aufgeregten „Konferenzschaltung“: Musik. Und danach: Musik. Um 16 Uhr 24 meldet der WDR die Halbzeitergebnisse. Soviel zur Aktualität in dem Medium, das uns die Fußballnostalgiker immer als Methadon wider die klebrige Verrannung der Sinne empfehlen. Die Heißblütigkeit nimmt ab. Es liegt auch an der Sache selbst: Die Herzen brennen nicht, wenn man die Antwortmaschine Funkel hört. Oder dem Möllerlein lauscht: „Die Mannschaft wollte gewinnen.“ Muß man mitbekommen, daß Beckenbauers Franzl den Seinen das Tanzjubeln verboten hat? Ist Unwissenheit nicht sogar besser, wenn Jürgen Kohler, der „Kokser“, im Sportstudio offen damit droht, bis 2001 weitergrätschen zu wollen und noch regierungssprecherhafter redet als Olaf Thon: „Es ist richtig, daß ich ein harter Verteidiger bin.“ Und die Zuschauer klatschen... Und Jauch daneben sitzt und sich für einen Showmaster hält, weil er jeder „Jagutichsagmal“-Antwort eine spitzbübisch hineingegrinste Frage vorschaltet?

Das Sportstudio war früher die Alternative zum Beamtenfußball der Huberty und Co, Studiogäste und Interviews oft mit unbekannten Blickwinkeln und Überraschungen. Heute nur noch mit dem Unterschied, daß bei „ran“ die Standardsätze stehend im Trikot herausgefloskelt werden und hier schweißfreier im Sitzen.

Apropos monopole Frischware bei Sat.1. In der „ran“-Forschung sind wir, der hochwohlzulobenden Zeitschrift Hattrick sei Dank, seit Freitag wieder ein Stück weitergekommen. Hier werden Monat für Monat auf der Leserbriefseite Tips und Erfahrungsberichte ausgetauscht, wie man die Sendung am leidärmsten guckt. Per Video aufnehmen, später mit schnellem Vorlauf für Werbung, Moderationen und Gestotter durchhecheln: Netto bleiben 45 Minuten. Jetzt empfahl einer, die Nachtwiederholung aufzunehmen, weil werbefrei eine halbe Stunde kürzer – und: man zähle nicht für die Quote.

Fußball – manchmal möchte man sich dir komplett entwöhnen! Aber manchmal wird man eben doch verwöhnt und -söhnt: Mit einem am Samstag wunderbar herumstotternden Steuersünderlein Jörg Wahnterror etwa. Und mit Rätseln, die nur der unerklärliche Fußballer zu stellen weiß. „Wir sind eine Laufmannschaft“, dozierte Freiburgs Spanring, „wenn einmal ein Ding irgendwie reingeht, wo vielleicht nicht hundertprozentig war, dann wird's mit den Hundertprozentigen vielleicht viel einfacher. Also: Wir haben die Hoffnung nicht aufgegeben.“ Wir auch nicht. Bernd Müllender

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