"Das geht Sie nichts an!"

■ Wie die Schnüffler von "ran" einmal dumm aus der Wäsche guckten

Der späte Abend des 28. Februar 1997 war, fußballmedial gesehen, kein schlechter. Trotz des besseren Wissens darüber, daß ein souveränes Ignorieren der Viel- Werbung-und-leider-auch-ein- bißchen-Sport-Sendung „ran“ wesentlich glücklicher macht als das zwanghafte Anglotzen dieser Veranstaltung, fand man sich aus Gründen der Sucht nach Fußballberichterstattung, so intolerabel diese auch sei, dennoch abermals vor dem Fernsehkasten ein zum Bekucken von eben: „ran“.

Dort sah und hörte man den Torhüter des VfL Bochum, Uwe Gospodarek, wie er sich nach der 1:3-Niederlage bei Arminia Bielefeld, dem Verein des abscheulich angeberischen Klamottiers Gerry Weber, zunächst despektierlich über den mangelnden Siegeswillen einiger seiner Bochumer Mitspieler äußerte. Auf die üblich freche, auf einen Skandal oder eine Interna-Intrige lauernde Frage des Sat.1-„ran“-Manns, wen er denn da „im einzelnen“ meine, antwortete Gospodarek dann allerdings angenehm klar: „Das geht Sie nichts an.“ Und verschwand.

Das sah man gern. Denn obwohl die Aversion gegen „ran“ weder neu noch selten ist, so ist sie ja doch berechtigt. In „ran“ verschwindet das Fußballspiel hinter seiner Kommentierung durch „ran“, und die am Fußballspiel beteiligten Spieler und Trainer sind allein interessant in iher Funktion, den Karrieren der „ran“-Leute aufzuhelfen. Je spektakulärer also der Erfolg oder Mißerfolg eines Fußballers oder Trainers, desto größer das Bemühen von „ran“, sich als vorgeblich wohlmeinender Freund an ihn anzuflanschen oder aber im Namen des Volkes über ihn zu Gericht zu sitzen. In „ran“ schminkt sich die Denunziation als Kritik und die Turnhosenschnüffelei als Aufklärung. Was sich als perfektes Dienstleistungsunternehmen für den Fußballfan ausgibt, schafft in Wahrheit den Fußballfan ab. Beziehungsweise erschafft ihn neu: als Klatschtante. Dem „ran“-Kommentator ist diese Mutation des Fußballfans in einer Art medialer Dauerkopulation verbunden, worüber man sich aber gar nicht moralisch erhitzen muß. Die Angelegenheit erledigt sich vielmehr ästhetisch von selbst. Ein sein Publikum permanent besteigender „ran“-Mann ist einfach kein schöner Anblick. Und so gilt für „ran“ und seine Betreiber: Was man nicht rechtzeitig zertritt, hat man später am Hals oder womöglich an noch ganz anderen Körperteilen. Nur wenig später sorgte ausgerechnet der nicht als rhetorisch begnadet bekannte Olaf Thon, Mannschaftskapitän von „Schalke 05“, wie Carmen Thomas den Verein, bei dem Jürgen W. Möllemann eine Geige spielen darf, einst zu recht nannte, für weitere und sogar noch größere, weil subtiler bereitete Freuden. Als ihn der gleichfalls sensationsgierige, ja sensationsimplizierende, an diesem Abend für „Schalcke“ abgestellte „ran“-Reporter frug, warum denn trotz des nur 0:0 ausgegangenen Heimspiels gegen den FC St. Pauli der Schalker Trainer Huub Stevens kurz vor Schluß einmal, wie es die intimitätsgeile „ran“-Kamera zeigte, gelächelt hätte, schaute Olaf Thon höchst unbedarft aus der Wäsche und replizierte bravourös und geradezu helgeschneideresk, ihm sei jetzt aber „puuh, kalt“, o ja, „sehr kalt“. Und ging seinerseits ebenfalls stiften – ganz so, als ob dieser Akt der Verteidigung von Restwürde mit dem Kollegen Gospodarek abgesprochen gewesen sei.

Als dann der Mitmensch-Darsteller Jörg „Bitte melde dich“ Wontorra vor der im „ran“-Studio verdämmernden, debilen Claque verzweifelt versuchte, Olaf Thons Antwort nicht gegen das Prinzip „ran“, sondern gegen Olaf Thon auszulegen, war es passiert: „ran“ war am Ende. Erstaunlich, wie einfach das ging. Wiglaf Droste