Seelenheiler liegen wegen Kundschaft im Streit

■ Die Techniker-Krankenkasse finanzierte bislang auch Psychotherapien durch Nichtärzte. Ein Sozialgerichtsurteil aus Nordrhein-Westfalen hat dies nun untersagt

Berlin (taz) – Versicherte der Techniker-Krankenkasse (TK), die erst vor kurzem eine Psychotherapie angefangen hatten, erhielten kürzlich einen Brief. Die TK müsse leider prüfen, hieß es darin, ob der vorläufige Bewilligungsbescheid für die Therapie „aufgehoben werden“ müsse. Der Patient werde nun um eine „Stellungnahme“ gebeten, ob ein Wechsel zu einem Vertragsarzt der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) „zumutbar“ sei.

Die Briefe könnten das Ende einläuten für Tausende von Psychotherapien, die von der TK bewilligt worden waren. Die Folge: Wer seit vorigem Herbst von der TK eine Therapie bei einem nichtärztlichen Psychotherapeuten bewilligt oder verlängert bekam, muß sich jetzt möglicherweise einen neuen Seelenheiler suchen.

Der Hintergrund: Das nordrhein-westfälische Sozialgericht hatte im Oktober die Praxis der TK für rechtswidrig erklärt, Therapien durch diplomierte Psychologen kostenmäßig direkt zu erstatten. Über die Technikerkasse dürfen sogenannte klinische Psychologen direkt abrechnen. Es geht dabei um weitergebildete Psychologen mit einem von der Psychologenvereinigung BDP anerkannten Abschluß. Die anderen Krankenkassen zahlen Psychotherapien dagegen nur, wenn sie von einem von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) anerkannten Therapeuten gemacht werden.

Der Unterschied: Die nichtärztlichen BDP-Psychologen behandeln auch nach Methoden der Gestalt- und Gesprächstherapie. Die nur KV-anerkannten Seelenheiler haben indes nur die Verhaltenstherapie oder eine Psychoanalyse im Angebot. Von der KV sind nur therapeutisch fortgebildete Ärzte anerkannt oder nichtärztliche Psychotherapeuten, denen von KV- Ärzten im „Delegationsverfahren“ Patienten zugespielt werden.

Gegen die Erstattungen der TK an die klinischen Psychologen hatten – wen wundert's – die KV geklagt. Das Sozialgericht gab den Kassenärzten recht, schließlich stehe im Sozialgesetzbuch geschrieben, daß Therapien von den Kassen in der Regel nur innerhalb der KV abgerechnet werden sollen. „Da geht es natürlich ums Budget“, meint Heinrich Bertram vom Berliner BDP. Angesichts der miesen Ertragslage lassen sich viele Mediziner zu Psychotherapeuten weiterqualifizieren, um ihr Einkommen zu sichern.

Für Versicherte der Technikerkasse, die erst seit letztem Herbst eine Psychotherapie begonnen haben, hat das Gerichtsurteil böse Folgen. Ihre Stellungnahmen würden jetzt an den Medizinischen Dienst der Krankenkassen weitergereicht, erklärt Gabriele Beier von der TK. Man könne „nicht garantieren“, daß jeder Patient beim bisherigen Therapeuten bleiben könne. Versicherte, die eine Therapie wollten, müßten sich jetzt von vornherein an einen KV-anerkannten Therapeuten wenden.

Das bedeutet Millionenverluste für die BDP-Psychologen. Während der BDP die Honorargier der KV beklagt, rügen diese den angeblich schlechten Ausbildungsstand der klinischen Psychologen. Die Bildungsabschlüsse des BDP seien „nicht ausreichend, um eine hochwertige psychotherapeutische Behandlung zu garantieren“, bemängelt Holger Schildt vom Dachverband der Psychoanalytiker, dem DGPT. Bertram vom BDP hält dagegen, oftmals hätten viele der verhaltenstherapeutisch weitergebildeten Ärzte nur kurze Ausbildungsstränge absolviert und bekämen dann die KV-Zulassung als Psychotherapeut.

Demnächst dürften die BDP- Psychologen noch weiter ins Hintertreffen geraten: Im Frühjahr will Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) den Entwurf zu einem Psychotherapeutengesetz vorlegen. Danach müssen alle kassenfinanzierten Psychotherapeuten in den KV vertreten sein.

Der Entwurf müsse aber „kostenneutral sein“, kündigte der CSU-Gesundheitspolitiker Wolfgang Zöller an. Die kassenfinanzierten Therapien dürften dadurch eher eingeschränkt oder zumindest durch Selbstbeteiligungen teurer werden. Viele Patienten zahlen ihre Therapie ohnehin schon aus eigener Tasche. Das aber, so Heinrich Bertram vom BDP, könnten sich aber immer weniger derjenigen, die psychotherapeutische Hilfe brauchen, auch leisten. Barbara Dribbusch