Fast alle schimpften über das gute Wetter

■ Hessische Kommunalwahlen bei Frühlingswetter und Sonnenschein. EU-AusländerInnen freuten sich über ihre erste Teilnahme

Frankfurt/M. (taz) — Warmer Wind und Frühlingssonne — im Foyer des Frankfurter Römers stand gestern nachmittag trotzdem ein Grüner und sah den Ergebnissen der hessischen Kommunalwahlen sehr schwarz entgegen: „Wahlbeteiligung unter 50 Prozent, die FDP ist drin und zehn Prozent Republikaner“.

Tatsächlich waren eine Stunde vor dem Schließen der Wahllokale kaum über 45 Prozent der 4,5 Millionen wahlberechtigten Hessen zur Urne gegangen. Das nützt erfahrungsgemäß den kleinen Parteien. Im Rathaus in der Main- Metropole hätte das zuallererst Aufwind für die Republikaner und dann für die FDP geheißen, die seit 16 Jahren hatten draußen bleiben müssen.

Ganz so kam es nicht am Main. Die FDP hatte noch um 19 Uhr mit ihrem Spitzenkandidaten Ignatz Bubis ihre Zitterpartie genau an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Republikaner hatten zur gleichen Zeit drei Prozent Verluste zu verzeichnen und lagen bei 6,9 Prozent. Kurz vor Sonnenuntergang war die Wahlbeteiligung doch noch auf über 50 geklettert.

Die ersten Spitzenkandidaten, die es daheim oder in den Hinterzimmern nicht mehr ausgehalten hatten, waren im Römer die Vertreter der PDS, die zu diesem Zeitpunkt noch guter Laune waren. Mindestens drei Prozent der Stimmen erhofften sie sich. Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) blieb bis dahin in ihrem Büro.

CDU- und SPDler versuchten, Contenance zu wahren und schimpften unisono auf das allzu gute Frühlingswetter mit Sonnenschein und lauen Lüften, das ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht habe. „Das“, hatte ein Frankfurter Wähler am Nachmittag gemutmaßt, „hätten die auch gesagt, wenn es regnet oder schneit.“

Tatsächlich gewannen die Christdemokraten zwar dazu, und die SPD mußte neue Verluste einstecken, aber klare Verhältnisse haben die Frankfurter nicht geschaffen, sondern wiederum eine, wie auch immer geartete Koalition, die mit der bis zum Jahr 2001 gewählten CDU-Oberbürgermeisterin leben muß.

In die Wahllokale hatten sich bis zum Nachmittag vor allem die ganz alten und die ganz jungen WählerInnen aufgemacht. Eine Wahlhelferin im Stadtteil Bornheim, einer Hochburg der Grünen, stellte vor allem das überraschende Interesse der WählerInnen aus den EU-Ländern fest, die alles ganz genau erklärt bekommen wollten: „Wie man Wahlhelfer wird, was die Stempel auf ihren Benachrichtigungen bedeuten, einfach alles.“ Besonders erklärungsbedürftig waren die beiden zusätzlichen rosa und grünen Wahlzettel für die Ortsbeiräte und den Umlandverband.

Vor der Dahlmann-Schule im Stadtteil Ostend freute sich eine Gruppe junger deutscher TürkInnen der zweiten Generation über ihre erste Wahlteilnahme. Ihre Eltern hatten, wie viele ihrer Landsleute, in den vergangenen Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. „Die wählen“, sagte eine, „vor allem CDU und FDP. Wir wollen SPD, Grüne und PDS.“ Bundespolitik interessierte sie für ihre im Vorfeld als Bonner Testwahl hochstilisierte Entscheidung so wenig wie die meisten FrankfurterInnen.

Heide Platen