Riesig: 600 Trecker gegen 6 Castoren

■ 30.000 Menschen haben am Wochenende in Lüneburg und dem Wendland gegen die Einlagerung von Atommüll in Gorleben protestiert. Noch nie waren so viele Mähdrescher und Trecker gegen den Atomstaat auf der Straße

Lüchow-Dannenberg (taz) – Der Protest übertraf alle Erwartungen: Über 30.000 Menschen gingen am Wochenende gegen den Transport von sechs Castor-Behältern ins Zwischenlager Gorleben auf die Straße. Bei der Auftaktkundgebung am Samstag demonstrierten knapp 20.000 Castor-Gegner ihre Bereitschaft, sich gegen den dritten Transport von hochradioaktivem Müll querzustellen. Ursprünglich hatte man mit 10.000 Teilnehmern gerechnet. Gestern erlebte das Wendland dann die bisher größte Bauerndemonstration des 20jährigen Widerstandes gegen die Gorlebener Atomanlagen. Nach Angaben der wendländischen „Bäuerlichen Notgemeinschaft“, die den Treckerkonvoi auf die Räder stellte, fuhren bei dieser „Stunk- Parade“ 573 Einzeltraktoren, Mähdrescher und Schlepper mit Anhänger vom Gorlebener Endlager zum Kundgebungsplatz bei Splietau nahe Dannenberg. Gerechnet hatten sie mit rund 200 Traktoren, und so konnten bis zum frühen Nachmittag nur rund die Hälfte der Fahrzeuge den Kundgebungsacker erreicht. Dort wurden sie von den rund 10.000 Demonstranten begrüßt, die sich bis dahin durch den Traktorstau „gekämpft“ hatten. Splietau liegt nahe der Castor-Verladestation, auf der morgen die sechs Castor-Behälter von Eisenbahnwaggons auf die Tieflader gehoben werden sollen.

Der Landrat des Landkreises Lüchow- Dannenberg, Christian Zühlke, forderte in seiner Rede vor den Demonstranten, den Transport unverzüglich abzusagen. Der Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow- Dannenberg, Wolfgang Ehmke, rief für die Transporttage zum gewaltfreien und entschlossenen Widerstand auf. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit bleibe beim Einsatz von 30.000 Polizisten zur Transportsicherung auf der Strecke. „Momentan erleben wir den Rechtsstaat als Fiktion“, sagte Ehmke. Die niedersächsische Grünen-Abgeordnete Rebecca Harms erinnerte daran, daß „es auch für 30.000 Polizisten Grenzen gibt“. Es gebe Situationen, denen auch ein solches Polizeiaufgebot nicht gewachsen sei. „Wenn ihr alle heute auf der Transportstrecke bleibt, dann kommen sie nicht durch.“

Der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) kritisierte den Castor-Transport im ZDF als „Provokation“ von Betreibern süddeutscher Atomkraftwerke. Er forderte, auch Bayern und Baden-Württemberg müßten ein atomares Zwischenlager bauen. Schröder zeigte sich aber optimistisch, was einen Energiekonsens angeht. Das Bundeskanzleramt dementierte, daß Helmut Kohl für ein atomares Zwischenlager in Süddeutschland eintrete. Dies hatte der Spiegel berichtet.

Jürgen Voges Seite 7