Handschriftlich auf Haut geschrieben

■ Eine Frankfurter Ausstellung zeigt das doppelte Verhältnis „foto text text foto“

Am Anfang wieder mal Duchamp: Für seine Version der „Mona Lisa“ von Da Vinci hatte er 1919 das Porträt mit einem Schnauzbart versehen. 1965 nahm sich der frühe Konzeptkünstler das Sujet noch einmal vor. Er benutzte einen einfachen Kunstdruck des klassischen Werkes und schrieb „Rasée“ darunter. In dieser Kombination von Bild und Wort liegen einige Probleme der Moderne verborgen: Reproduktion, Autorschaft, Originalität, Wahrheit, Traditionsmächtigkeit und so weiter und so weiter.

Es ist deshalb ganz geschickt, wenn die Kuratoren, Andreas Hapkemeyer und Peter Weiermair, Duchamps „Mona Lisa Rasée“ an den Anfang von „foto text text foto“ stellen. Die Frankfurter Ausstellung umfaßt Arbeiten von 32 internationalen KünstlerInnen zwischen 1967 und 1996; Duchamps Arbeit markiert also auch chronologisch einen Beginn – nicht nur dieser Ausstellung, sondern auch dessen, was man gemeinhin zeitgenössische Kunst nennt.

Fotografie und Text – das ist ein ergiebiges, zumeist aber vernachlässigtes Thema. Aus der Reportage- und Dokumentarfotografie hat sich mit der Emanzipation des Mediums die Vorstellung des autonomen Fotos durchgesetzt. Das führte dazu, daß die Arbeiten von Evans, Brassai oder Airbus aus den Magazinen, für die sie gemacht wurden, allmählich als Kunstfotografien in Museen abwanderten. Daneben blieb aber die journalistische Variante bestehen. Zusammen mit ihrem kommerziellen Gegenpart, der Werbefotografie, ist sie stark vom Zusammenspiel mit Texten geprägt.

In den sechziger Jahren begann mit der Konzeptkunst die verstärkte Kritik an der alltäglichen Funktionalisierung von Text/Foto für Manipulation und Konsum. Der US-amerikanische Konzeptkünstler Douglas Huebler sagt dementsprechend, daß es in seiner Auseinandersetzung mit Fotografie immer des Textes bedarf, um die visuelle Schwelle zwischen Repräsentation und Betrug sichtbar zu machen. In der künstlerischen Auseinandersetzung mit Foto/ Text liegt also eine zweifache Relevanz: Indem sie alltägliches Material benutzt, ist sie im Grunde leicht zugänglich; indem sie die Zusammensetzung des Materials neu ordnet, unterläuft sie die alltäglich eingeübten Wahrnehmungsmuster.

Huebler, Klaus Staeck oder Barbara Kruger, das Genre hat seine KlassikerInnen, und die sind selbstverständlich in dieser Ausstellung zu sehen. Die exemplarischen und hervorragenden Werke der verschiedenen Epochen und Richtungen der vergangenen 30 Jahre sollten gezeigt werden, so Peter Weiermair. Eine Ausstellung, die zu mehr als einem Drittel aus Beiträgen US-amerikanischer KünstlerInnen besteht, fast nur aus europäischen Sammlungen zu bestreiten, muß allerdings an diesem Anspruch scheitern.

Zum Beispiel John Baldessari, ein Künstler, dessen Umgang mit Foto/Text-Kombinationen immens wichtig ist. Von ihm sind zwei Arbeiten zu sehen, in denen kein Text, nur textverwandte Zeichen auftauchen. Man kann das natürlich als Facettenreichtum des Ausstellungsthemas bezeichnen. Dahinter dürfte sich aber – DG Bank als Hauptsponsorin hin, Beziehungen her – das Kulturfinanzloch verbergen: Welche Institution kann es sich noch leisten, ein kanonisches Werk über den Atlantik zu holen?

Bei den meisten der gezeigten Arbeiten geht es darum, einen jeweils unterschiedlich starken Schwebezustand zwischen dem, was auf den Fotos zu sehen, und dem zu erzeugen, was auf oder neben ihnen zu lesen ist. So werden die geheimnisvollen Motive in Hueblers „Duration Piece No. 4“ (1969) entzaubert durch die trockene Erklärung, auf welche Art die Fotos entstanden. Dagegen hüllen die Texte zu den alltäglichen Motiven von Laura Padgett in „Coming Back“ (1996) das Bild in ein Geheimnis – was umgekehrt genauso gilt. Aber stimmt das? In dieser Ausstellung macht man an sich selbst die Beobachtung, daß die Texte immer das Leitmedium sind, irgendwie „stärker“ als die Bilder.

Dieser Sachverhalt wird natürlich auch zum Thema. In Heiner Blums „Erzengel“-Arbeit (1988) zum Beispiel. Man sieht drei übergroß reproduzierte Fotos von Soldaten, auf jedem steht am unteren Rand der Name eines Erzengels. Der Text bestimmt hier die Richtung der Interpretation. Und bei Jenny Holzers dramatischen Beziehungstexten („Lustmord“, 1993/94) vergißt man irgendwann, daß sie handschriftlich auf Haut geschrieben sind.

Handschrift ziert auch das am Ende doch schönste Foto dieser Ausstellung. Aus der sicheren Verwahrung im 37. Stockwerk der Deutschen Bank befreit, kann man es wieder einmal bestaunen: Joseph Beuys kommt auf diesem Foto von 1972 zielstrebig auf einen zu, den Blick klar auf seine BetrachterInnen gerichtet. Unten rechts ins Eck hat er die Signatur gekrickelt und den Zusatz: „La rivoluzione siamo Noi“. „Die Revolution sind Wir“. Ganz klar, wen er damit gemeint hat. Martin Pesch

„foto text text foto“, Kunstverein Frankfurt/Main, bis 9. März