Wursteln am Klimaziel

■ EU-Minister: 15 Prozent weniger Treibhausgase bis 2010 – aber wie?

Brüssel (taz) – Nach fünfjährigem Eiertanz haben sich die 15 Umweltminister der EU in der Nacht zum Montag informell auf eine gemeinsame Reduzierung der Treibhausgase bis 2010 um 15 Prozent geeinigt. Für 2005 peilen sie eine Minderung von sieben bis zehn Prozent an. Doch gleichzeitig zeigten die Minister auf der Sondersitzung in Brüssel wenig Entschlossenheit, dieses Ziel auch zu erreichen. Sie weigerten sich hartnäckig, vor der eigenen Tür zu kehren, und schoben sich gegenseitig die Verantwortung zu. Die Vereinbarung stellt lediglich sicher, daß die EU-Länder im Dezember bei der Klimakonferenz im japanischen Kyoto mit einer gemeinsamen Position auftreten. Die konkreten Zusagen der einzelnen EU- Regierungen, um wieviel Prozent sie den Schadstoffausstoß in ihren Ländern bis 2010 senken wollen, reicht EU-weit nur zu einer Verminderung um 10 Prozent.

Zuwenig, sagt die niederländische Umweltministerin Margareet de Boer, die derzeit im EU-Ministerrat den Vorsitz führt. Sie schlägt deshalb vor, daß jedes Land den Ausstoß nach seinen Möglichkeiten einschränkt: Luxemburg um 40 Prozent, Deutschland um 30, Großbritannien um 10 und Italien um sieben Prozent. Frankreich, das auf Atomkraft setzt und der Meinung ist, damit bereits genügend Kohlendioxid zu vermeiden, darf so bleiben, wie es ist. Spanien und Portugal dürfen die Emissionen sogar um 15 beziehungsweise 25 Prozent steigern. Im Prinzip sind sich die Umweltminister einig, daß die Lasten nicht gleich verteilt werden können. Die Industrie in Spanien und Portugal beispielsweise, die erst noch im Aufbau ist, dürfe nicht durch strenge Abgasbeschränkungen abgewürgt werden. Daß die Umweltminister für die Südländer soviel Verständnis aufbringen, hat viel damit zu tun, daß jeder auch für sich Sonderprobleme anführt, die er ernstgenommen wissen will.

Bundesumweltministerin Angela Merkel etwa findet allerdings, daß Deutschland mit der angekündigten Reduzierung um 25 Prozent bis 2005 schon genug versprochen hat und will bis 2010 nicht noch mal fünf Prozentpunkte drauflegen. Tatsächlich hat sie schon Schwierigkeiten genug ihr angekündigtes Ziel einzuhalten. Jetzt seien die anderen dran, so Merkel, die Holländer zum Beispiel. Doch die erwidern, daß sie schon viel mehr Fördergelder in Wärmedämmung und effiziente Filter gesteckt haben als die Deutschen und deshalb nicht mehr soviel Einsparen können. Die Bundesregierung, die darauf verweise, daß sie die Treibhausgase seit 1990 um 13 Prozent vermindert habe, hinke weit hinterher. In der Tat geht die Einsparung vor allem auf den Zusammenbruch der Ostwirtschaft zurück.

In den meisten EU-Staaten fehlen konkrete Minderungspläne. Die grüne Europaabgeordnete Hiltrud Breyer befürchtet, daß die EU-Länder „weiterwursteln“ wie bisher. Selbst die offiziellen Reduktionsziele seien nur die Hälfte von dem, was technisch möglich wäre. Alois Berger