Ein Höhenflug, viele Abstürze

Die hessische FDP freut sich über die Sitze im Römer, dennoch tröstet dieser Erfolg nicht über den Verlust in vielen Städten hinweg  ■ Aus Frankfurt Heide Platen

Katerstimmung, Katzenjammer herrschte gestern bei der hessischen FDP. Nur Ignatz Bubis freute sich noch immer. Er war der erste prominente FDP-Politiker, der sich am bereits am Sonntag abend in den Frankfurter Römer wagte.

Als seine Parteikollegen noch gegenüber im Presseklub gebannt auf die ersten Hochrechnungen starrten und bangten, da eilte Bubis schon den Mikrofonen entgegen. 16 Jahre hatten die Liberalen in der Main-Metropole vor der Tür gesessen. Sie konnten es erst gar nicht glauben, daß ihnen der „Bubis-Effekt“, den sie selbst ganz offen einräumten, mit 5,6 über die Fünfprozenthürde geholfen und fünf Sitze im Stadtparlament gesichert hatte.

Die Parteispitze, vorwiegend im gediegenen Westerwelle-Look, geriet regelrecht in Euphorie und jubelte im Chor „Bubis! Bubis!“ – und stürmte ins Rathaus. Grüne Kommunalpolitiker maulten dort währenddessen bei Frikadellen und Kartoffelsalat herum, daß sie den Spitzenkandidaten und Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland im Wahlkampf vielleicht doch zu sehr mit Samthandschuhen angefaßt hätten. Menschlich sei der auch nur manchmal nett und in der Wirtschaftspolitik doch gar nicht so liberal, sondern ein knallhart auf das Kapitalinteresse blickender Neoliberaler der Lambsdorff-Linie.

Das alles störte den 70jährigen Star des Abends nicht so sonderlich. Mit wie immer etwas zerknautschtem Anzug, schiefer Krawatte, strubbelig und strahlend, genoß er die Gratulationen sichtlich. Und hatte selbstverständlich schon ein bescheidenes Statement bereit: „Wir haben zwei Ziele nicht erreicht.“ Zum einen sei „die bürgerliche Mehrheit“ in Frankfurt verfehlt worden, zum anderen seien die Republikaner mit sechs Sitzen wieder im Stadtparlament: „Das macht mich traurig. Aber man kann ja nicht alles haben.“ Und dann hatte er aber „erst einmal Durst“.

Der grüne Bundestagsvorsitzende Joschka Fischer hatte Bubis' Sieg kurz und knapp als „regionales Ereignis“ gewertet. Und das lief gegen den Landestrend.

In fast ganz Hessen sah es finster aus für die Liberalen. In zahlreichen Gemeinden und Kreisen mußten sie arge Schlappen einstecken und landeten mit dem Rückgang um 1,2 Prozent der Stimmen landesweit auf der Marke von vier Prozent. In Wiesbaden (4,3), Kassel (3,3) und Darmstadt (4,9) sind sie nicht mehr vertreten.

In ihrer Heimatstadt Darmstadt war dies für die Landesvorsitzende Ruth Wagner eine besondere Niederlage, denn der Wahlkampf war auch auf ihre Person zugeschnitten.

Dem Spitzenkandidaten Dierk Molter fehlten dann ganze 80 Stimmen, die vor allem an eine neue Wählergemeinschaft gegangen waren. Ruth Wagner tröstete sich am Wahlabend mit der gegen sie selbst gerichteten, Fischerschen Analyse, daß sich auch die Liberalen bei Kommunalwahlen weniger taktisch verhalten als bei Land- und Bundestagswahlen, sondern mehr auf regionale Belange achten. Auch in Wiesbaden wird die FDP ebenfalls – wie in Darmstadt zum ersten Mal seit 1946 – nicht mehr im Rathaus sitzen. Zur dort parallel laufenden Oberbürgermeisterwahl stimmten für die FDP-Kandidatin mit dem Dreifachnamen, Margret Funke- Schmitt-Rink, gerade 2,6 Prozent der Wähler.

Auch in den vielen kleinen Städten, Gemeinden und in den Kreistagen schwankten die Wahlergebnisse zwischen kaum über fünf Prozent und weit darunter. Von Ausnahmen abgesehen, wie der Nobel-Gemeinde Königsstein im Taunus (10,1) und Rüdesheim am Rhein (16,6).

Auch FDP-Rechtsaußen Heiner Kappel war erfolgreich und holte sich in seinem Heimatort Bad Soden eines der wenigen Spitzenergebnisse. Er steigerte den Stimmenanteil vor allem auf Kosten der CDU um über fünf Prozent auf 17,6.

Mancherorts schmissen gestern FDP-Parteivorsitzende resigniert ihre Ämter oder kündigten dies zumindest an. Landespartei-Vorsitzender Wolfgang Gerhardt sagte am Vormittag, er sei zwar „frustriert“, habe aber schon „schlimmere Tage“ erlebt.