■ Frankreich: Renault-Arbeiter streiken international
: Eine Antwort auf die Globalisierung

Wenn Renault hustet, bekommt ganz Frankreich die Grippe, heißt es. In langen Streiks haben die Arbeiter des Unternehmens immer wieder bewiesen, wozu sie fähig sind: 1955 erkämpften sie die dritte bezahlte Urlaubswoche, im Mai 1968 legten sie sämtliche Werke lahm, 1975 streikten sie neun Wochen für eine Lohnerhöhung. Heute ist zwar das traditionsreiche Werk in Billancourt geschlossen und die Belegschaft insgesamt drastisch reduziert, aber ihre Kampfbereitschaft ist ungebrochen. Aus Angst vor den politischen Folgen einer Werksschließung im eigenen Land hat Renault nun entschieden, einen belgischen Standort zu schließen. Sie hat eine Fabrik mit 3.100 Arbeitern ausgewählt, die direkt vor den Toren der Hauptstadt und in unmittelbarer Nähe der Europäischen Kommission liegt. Begründung der Schließung: Die belgischen Beschäftigten seien zu teuer.

Das Management von Renault hat in den letzten Jahren jede Menge Mist gebaut. Neben Fehlinvestitionen, wie den jüngst im belgischen Vilvoorde investierten 1,4 Milliarden Francs und den zu teuren und kaum absetzbaren neuen Automodellen, gehören dazu auch die mit Millionenverlusten gescheiterten Zusammengänge mit dem US-amerikanischen Jeep- Hersteller American Motors und dem schwedischen Unternehmen Volvo. Die jüngste Renault-Entscheidung aber, die nach der Privatisierung des Staatsunternehmens erfolgte, könnte zum folgenreichsten Fauxpas der Firmengeschichte werden.

Denn die französischen Renault-Arbeiter haben verstanden, daß die Schließung in Belgien auch sie betrifft. Und daß sie der gesamteuropäischen Unternehmenspolitik nur mit grenzüberschreitenden Gewerkschaftsreaktionen begegnen können. Zu dieser Erkenntnis hat ihnen gewiß auch die fast gleichzeitig bekanntgewordene Absicht von Renault verholfen, weitere Tausende französische Arbeiter zu entlassen.

Der gemeinsame einstündige Streik in den Renault-Niederlassungen in Spanien, Belgien und Frankreich ist eine neue Reaktion auf die Globalisierung. Sie ist international. Und sie könnte der Anfang einer Bewegung für allgemeine und gemeinsame soziale Rechte in Europa sein. Den – meist konservativen – Regierungen könnte dies zeigen, daß ein Binnenmarkt, der nur Kapital- und Finanzflüsse reguliert, nicht funktionieren kann. Dorothea Hahn