■ Die EU mit Algerien auf du und du
: Enge Anbindung

Madrid (taz) – Möglichst schnell sollen die gestern begonnenen Verhandlungen zwischen der EU und Algerien über einen Assoziierungsvertrag über die Bühne gehen. Darin sind sich beide Seiten einig. Nach Marokko und Tunesien wird damit auch das letzte verbleibende Maghrebland in den Kreis derer aufgenommen, die sich besonders enger Beziehungen mit Brüssel rühmen können.

Die EU-Länder sind bereits heute Algeriens wichtigster Handelspartner. 63 Prozent der Importe des nordafrikanischen Landes stammen aus der EU, 60 Prozent seiner Exporte fließen dorthin. Ganz oben auf der Liste steht Italien, das alleine ein Fünftel der algerischen Importe aufnimmt, gefolgt von Frankreich, Holland und Spanien. Neben Erdöl bezieht Italien vor allem Erdgas durch eine Pipeline auf dem Grund des Mittelmeeres. Eine zweite Röhre durch die Meerenge von Gibraltar versorgt seit wenigen Wochen auch Spanien und Portugal direkt mit Sahara-Gas. Eine Anbindung des deutsch-französischen Netzes ist geplant.

Der Erdgasexport nach Europa, der bereits heute 15 Prozent des EU-Bedarfs deckt, soll dank der 2,3 Milliarden Mark teuren, 1.300 Kilometer langen Pipeline in den nächsten Jahren noch ansteigen. Im Tausch dafür liefert die EU vor allem Industrie- und Konsumgüter. Allein ein Viertel aller Importe bezieht Algerien aus Frankreich.

Neben den wirtschaftlichen Vorteilen erhoffen sich die Machthaber in Algier von den Verhandlungen mit der EU vor allem internationale Anerkennung und damit moralische und materielle Unterstützung im seit fünf Jahren andauernden Machtkampf mit den Islamisten. Die Rechnung scheint aufzugehen. Während die nichtreligiöse Opposition des Landes mit ihren Klagen gegen den autoritären Regierungsstil der Militärs und von Präsident Liamine Zéroual beim Europaparlament auf Gehör stößt, ist die EU-Kommission voller Lobes für die Machthaber. Das im nächsten Jahr auslaufende vierjährige Strukturanpassungsprogramm des IWF sei ein Erfolg ebenso wie die Privatisierung der ersten 300 von insgesamt 1.300 Staatsbetrieben.

Die soziale Seite der „makro- ökonomischen Erfolge“ scheint in Brüssel unbekannt: 28 Prozent Arbeitslose, drei Millionen Arbeiter mit einem Lohn von unter 300 Mark monatlich bei fast westlichen Preisen: ein Kilo Fleisch zwölf Mark, Tomaten zwei Mark, der Liter Milch 80 Pfennig. Reiner Wandler